Verfassungsgerichtshof (VfGH)

Rechtssatz für E2908/2023

Entscheidungsart

Erkenntnis

Dokumenttyp

Rechtssatz

Sammlungsnummer

20672

Geschäftszahl

E2908/2023

Entscheidungsdatum

07.03.2024

Index

16/02 Rundfunk

Norm

EMRK Art10
AMD-G §30, §41, §62
VfGG §7 Abs1
  1. VfGG § 7 heute
  2. VfGG § 7 gültig ab 22.03.2020 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 16/2020
  3. VfGG § 7 gültig von 01.01.2015 bis 21.03.2020 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 101/2014
  4. VfGG § 7 gültig von 01.01.2015 bis 31.12.2014 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 92/2014
  5. VfGG § 7 gültig von 01.03.2013 bis 31.12.2014 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 33/2013
  6. VfGG § 7 gültig von 01.07.2008 bis 28.02.2013 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 4/2008
  7. VfGG § 7 gültig von 01.01.2004 bis 30.06.2008 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 100/2003
  8. VfGG § 7 gültig von 01.10.2002 bis 31.12.2003 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 123/2002
  9. VfGG § 7 gültig von 01.01.1991 bis 30.09.2002 zuletzt geändert durch BGBl. Nr. 329/1990
  10. VfGG § 7 gültig von 01.07.1976 bis 31.12.1990 zuletzt geändert durch BGBl. Nr. 311/1976

Leitsatz

Verletzung im Recht auf Meinungsäußerungs- und Rundfunkfreiheit auf Grund der Feststellung einer Verletzung des Gebots der Achtung der Menschenwürde sowie des Gebots der journalistischen Sorgfalt durch wiederholtes Ausstrahlen von Bildern über einen Terroranschlag in Wien entgegen den Aufrufen der Exekutive; Überwiegen des öffentlichen Informationsinteresses an einem Terroranschlag sowie der besonderen Bedeutung der – nicht individualisierbaren Personen in – Video- und Bildberichterstattung gegenüber der Menschenwürde und dem Persönlichkeitsschutz der Betroffenen; Aufruf der Landespolizeidirektion, keine Videos und Bilder in sozialen Medien zu verbreiten, gilt nach Abwägung der Sicherheits- und Personenschutzinteressen nicht gleichermaßen für die – der journalistischen Sorgfalt unterliegenden – Verbreitung in Fernsehprogrammen; Beschränkung der Berichterstattungsfreiheit durch die pauschale Forderung des BVwG, eine Video- und Bildberichterstattung zu untersagen

Rechtssatz

Zur Feststellung der Verletzung der Menschenwürde und Grundrechte anderer gemäß §30 Abs1 AMD-G durch das BVwG:

Das BVwG erachtet – durch die Video- und Bildberichterstattung über den angeschossenen Polizisten, die im Zuge des Terroranschlages verletzten Personen und die Leiche des Attentäters – den Anwendungsbereich des §30 Abs1 AMD-G für eröffnet. Es verkennt aber die spezifische Bedeutung des Art10 EMRK, wenn es der Video- und Bildberichterstattung der Beschwerdeführerin vor allem das "Bedienen der Sensationslust" unterstellt und die Beschwerdeführerin gehalten sieht, in der konkreten Situation der Berichterstattung über einen Terroranschlag auf derartiges Bildmaterial zu verzichten und im Wesentlichen mit einer Wortberichterstattung das Auslangen zu finden.

Zu der Verantwortung bei der Gestaltung der Berichterstattung über den (auch noch andauernden) Terroranschlag in Wien am 02.11.2020 gehört es einerseits, dem Persönlichkeitsschutz der Opfer eines Terroranschlages wie dem öffentlichen Interesse an der Bewältigung der Situation durch die Einsatzkräfte, um die Sicherheit der Bevölkerung wiederherzustellen, bei der Berichterstattung Rechnung zu tragen. Dazu zählt auch, dass möglichst vermieden werden soll, dass durch die Berichterstattung den Zielen von Terroristen durch Verbreitung von Angst oder Fanatisierung der eigenen Anhänger Vorschub geleistet wird.

Das öffentliche Informationsinteresse an einem Terroranschlag umfasst auch die Aufgabe der Berichterstattung, der Öffentlichkeit die Grausamkeit und Sinnlosigkeit der Gewalt und das Leid, das unschuldigen und an Konflikten, die den Hintergrund eines Terroranschlages bilden, unbeteiligten Menschen angetan wird, vor Augen zu führen. Gerade der Bildberichterstattung kommt in diesem Zusammenhang eine besondere Bedeutung zu, weil Bilder wirkmächtig(er als Worte) in der Lage sind, das Leid von Menschen zu vermitteln und die Öffentlichkeit für dieses Leid zu sensibilisieren. Art10 EMRK schützt und anerkennt auch im Zusammenhang mit Terroranschlägen das Interesse, die Öffentlichkeit durch auch schockierende, verletzende und beunruhigende Bilder über die Auswirkungen menschenverachtender Gewalt aufzurütteln.

Dass gerade bei zeitnaher journalistischer Berichterstattung in audiovisuellen Mediendiensten zum Zwecke der Information der Öffentlichkeit besondere Bedeutung zukommt und Art10 EMRK deren Freiheit der Berichterstattung gerade auch deswegen schützt, um in solchen Situationen das Feld der öffentlichen Kommunikation nicht ausschließlich sozialen Medien unter deren spezifischen Kommunikationsbedingungen zu überlassen, hebt die Beschwerdeführerin zu Recht hervor.

Das BVwG verkennt die verfassungsrechtlichen Zusammenhänge, wenn es davon ausgeht, dass der Schutz der Menschenwürde gemäß §30 Abs1 AMD-G von der Beschwerdeführerin verlangt habe, Video- und Bildberichterstattung über einen getroffenen Polizisten und den Leichnam des Attentäters jedenfalls zu unterlassen, ungeachtet des Umstandes, dass in beiden Fällen die konkrete Person auf den Bildern nicht individualisierbar war. Im Lichte des Art10 EMRK kann es für die Abwägung zwischen dem Berichterstattungsinteresse und dem Menschenwürde- und Persönlichkeitsschutz der Betroffenen nicht darauf ankommen, dass – auch wenn dieser Menschenwürde- und Persönlichkeitsschutz auch das engere soziale Umfeld der abgebildeten Personen vor Leid und Kummer schützt – im Zuge der nachfolgenden erwartbar einsetzenden Aufarbeitung des ersten Terroranschlages in Österreich nach Jahrzehnten die nicht identifizierbar abgebildete Person des zum Opfer des Terroranschlages gewordenen Polizisten für sein soziales Umfeld im Nachhinein jedenfalls erkennbar wird. Damit wäre im Ergebnis jede, wenn auch anonymisierte bildliche Darstellung von einzelnen Opfern verunmöglicht. Dies trägt dem dargestellten Informationsinteresse über Ereignisse wie den in Rede stehenden Terroranschlag und die Opfer und damit das Leid, das terroristische Gewalt verursacht, nicht angemessen Rechnung und führt bei der Anwendung des §30 Abs1 AMD-G zu einem Abwägungsergebnis, das mit verfassungsrechtlichen Vorgaben nicht vereinbar ist.

Vergleichbares gilt, wenn das BVwG in Verkennung der Bedeutung des öffentlichen Informationsinteresses davon ausgeht, dass das Bild des toten Attentäters diesen in einem hilflosen Zustand der Öffentlichkeit vorführe, so dass die Beschwerdeführerin ein anderes, gelinderes Mittel der Berichterstattung als die Ausstrahlung des fraglichen Bildes hätte wählen müssen. In diesem Zusammenhang nicht nur bloß verbal oder textlich über den Tod des Attentäters zu berichten, sondern den toten Körper auch in einer Weise abzubilden, die ihn als Person nicht identifizierbar macht, liegt auch in Ansehung der Grundrechte des Attentäters jedenfalls in der durch Art10 EMRK geschützten journalistischen Gestaltungsfreiheit der Beschwerdeführerin.

Zur Feststellung der Verletzung von §41 Abs5 AMD-G durch das BVwG:

Das BVwG geht davon aus, dass der Aufruf der LPD Wien, keine Videos und Bilder in sozialen Medien zu verbreiten, gleichermaßen auch für deren Verbreitung in Fernsehprogrammen gelte und sieht §41 Abs5 AMD-G deswegen verletzt, weil die Video- und Bildberichterstattung der Beschwerdeführerin geeignet gewesen sei, den Polizeieinsatz zu behindern und insbesondere den Tätern Informationen zur Verfügung zu stellen, die ihnen wesentliche Vorteile verschafften. Das BVwG übersieht mit dieser Auffassung die unterschiedliche Bedeutung, die Art10 EMRK redaktioneller journalistischer Berichterstattung – wie hier in audiovisuellen Mediendiensten – in Abgrenzung zu sonstiger Kommunikation in öffentlichen Kommunikationsnetzen, insbesondere in sozialen Medien zumisst. Der Aufruf der LPD Wien kann nicht als Ansinnen verstanden werden, journalistische Bildberichterstattung über den Terroranschlag und seine Auswirkungen, einschließlich des Polizeieinsatzes, zu unterlassen; seine Bedeutung, der im Rahmen der journalistischen Sorgfalt unzweifelhaft Rechnung zu tragen ist, muss aber für die Verbreitung von Video- und Bildmaterial in sozialen Medien und im Zuge journalistischer Berichterstattung in Fernsehprogrammen differenziert erfasst werden. Insbesondere ist es im Rahmen der journalistischen Berichterstattung Aufgabe und Verantwortung der die Fernsehsendung gestaltenden Personen, das öffentliche Informationsinteresse mit den Sicherheits- und Personenschutzinteressen, die den Aufruf der LPD Wien tragen, abzuwägen (eine Verantwortung, die bei Postings in sozialen Medien nicht erwartet werden kann).

Das BVwG hätte im Lichte des Art10 EMRK daher im Einzelnen darlegen müssen, aus welchen Gründen es welche konkrete Video- und Bildberichterstattung für geeignet erachtet, die hinter dem Aufruf der LPD Wien stehenden Sicherheits- und Bevölkerungsschutzanliegen zu gefährden. Eine pauschale Betrachtung, wie sie das BVwG vorgenommen hat, dass vorliegend die journalistische Sorgfalt gefordert hätte, Video- und Bildberichterstattung gänzlich zu unterlassen, beschränkt die Berichterstattungsfreiheit der Beschwerdeführerin in einer in einer demokratischen Gesellschaft nicht notwendigen Weise.

Entscheidungstexte

  • E2908/2023
    Entscheidungstext VfGH Erkenntnis 07.03.2024 E2908/2023

Schlagworte

Privatrundfunk, Rundfunkfreiheit, Meinungsäußerungsfreiheit, Fernsehen terrestrisches, Rechte höchstpersönliche, Medienrecht, Rundfunk, Entscheidungsbegründung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:2024:E2908.2023

Zuletzt aktualisiert am

04.06.2025

Dokumentnummer

JFR_20240307_23E02908_01

Entscheidungstext E2908/2023

Entscheidungsart

Erkenntnis

Dokumenttyp

Entscheidungstext

Sammlungsnummer

20672

Geschäftszahl

E2908/2023

Entscheidungsdatum

07.03.2024

Index

16/02 Rundfunk

Norm

EMRK Art10
AMD-G §30, §41, §62
VfGG §7 Abs1
  1. VfGG § 7 heute
  2. VfGG § 7 gültig ab 22.03.2020 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 16/2020
  3. VfGG § 7 gültig von 01.01.2015 bis 21.03.2020 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 101/2014
  4. VfGG § 7 gültig von 01.01.2015 bis 31.12.2014 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 92/2014
  5. VfGG § 7 gültig von 01.03.2013 bis 31.12.2014 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 33/2013
  6. VfGG § 7 gültig von 01.07.2008 bis 28.02.2013 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 4/2008
  7. VfGG § 7 gültig von 01.01.2004 bis 30.06.2008 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 100/2003
  8. VfGG § 7 gültig von 01.10.2002 bis 31.12.2003 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 123/2002
  9. VfGG § 7 gültig von 01.01.1991 bis 30.09.2002 zuletzt geändert durch BGBl. Nr. 329/1990
  10. VfGG § 7 gültig von 01.07.1976 bis 31.12.1990 zuletzt geändert durch BGBl. Nr. 311/1976

Leitsatz

Verletzung im Recht auf Meinungsäußerungs- und Rundfunkfreiheit auf Grund der Feststellung einer Verletzung des Gebots der Achtung der Menschenwürde sowie des Gebots der journalistischen Sorgfalt durch wiederholtes Ausstrahlen von Bildern über einen Terroranschlag in Wien entgegen den Aufrufen der Exekutive; Überwiegen des öffentlichen Informationsinteresses an einem Terroranschlag sowie der besonderen Bedeutung der – nicht individualisierbaren Personen in – Video- und Bildberichterstattung gegenüber der Menschenwürde und dem Persönlichkeitsschutz der Betroffenen; Aufruf der Landespolizeidirektion, keine Videos und Bilder in sozialen Medien zu verbreiten, gilt nach Abwägung der Sicherheits- und Personenschutzinteressen nicht gleichermaßen für die – der journalistischen Sorgfalt unterliegenden – Verbreitung in Fernsehprogrammen; Beschränkung der Berichterstattungsfreiheit durch die pauschale Forderung des BVwG, eine Video- und Bildberichterstattung zu untersagen

Spruch

I. Die Beschwerdeführerin ist durch das angefochtene Erkenntnis im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Meinungsäußerungs- und Rundfunkfreiheit gemäß Art10 EMRK verletzt worden.

Das Erkenntnis wird aufgehoben.

II. Der Bund (Bundeskanzler) ist schuldig, der Beschwerdeführerin zuhanden ihrer Rechtsvertreterin die mit € 2.856,– bestimmten Prozesskosten binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Entscheidungsgründe

römisch eins. Sachverhalt, Beschwerde und Vorverfahren

1. Die Beschwerdeführerin ist eine Mediendiensteanbieterin gemäß §2 Z20 Audiovisuelle Mediendienste-Gesetz (AMD-G). Sie strahlte am Abend des 2. November 2020 im Fernsehprogramm "A***" die Sendung "B***" aus. In dieser berichtete sie spontan und gleichzeitig mit dem Ablauf der Ereignisse über den Terroranschlag, der an diesem Abend in Wien verübt wurde. Sie zeigte dabei auch von Dritten aufgenommene und der Beschwerdeführerin zur Verfügung gestellte Videos und Fotos von den Ereignissen. Konkret geht es im vorliegenden Beschwerdeverfahren um die bildliche Darstellung eines Schusswechsels des Attentäters mit Polizisten, wobei einer der Polizisten getroffen wird, der medizinischen Versorgung von teils schwerverletzten Passanten sowie der Leiche des Attentäters. Die Ausstrahlung dieser Bilder (Videos und Fotos) erfolgte entgegen dem Aufruf der Landespolizeidirektion Wien (LPD Wien), keine Bilder oder Videos der Geschehnisse in sozialen Medien zu posten.

2. Mit Bescheid vom 13. Dezember 2021 stellte die Kommunikationsbehörde Austria (im Folgenden: KommAustria) fest, dass die Beschwerdeführerin durch die im Fernsehprogramm "A***" ausgestrahlte Sendung "B***" §30 Abs1 AMD-G verletzt habe, weil Teile der Berichterstattung an diesem Abend die Menschenwürde der Betroffenen nicht geachtet hätten. Weiters habe die Berichterstattung auch gegen §41 Abs5 AMD-G verstoßen, weil sie die gebotene journalistische Sorgfalt im Hinblick auf den Aufruf der LPD Wien, insbesondere keine Videos in sozialen Medien zu posten, nicht eingehalten habe.

Es handle sich dabei um schwerwiegende Rechtsverletzungen gemäß §62 Abs4 AMD-G.

Die KommAustria verpflichtete die Beschwerdeführerin gemäß §62 Abs3 AMD-G, binnen sechs Wochen ab Rechtskraft des Bescheides im Fernsehprogramm "A***" einen Text durch Verlesung und Einblendung zu veröffentlichen, wonach die KommAustria festgestellt habe, dass die Beschwerdeführerin mit der genannten Sendung die Menschenwürde nicht geachtet, die gebotene journalistische Sorgfalt nicht eingehalten und dadurch das AMD-G verletzt habe.

3. Die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde wies das Bundesverwaltungsgericht mit Erkenntnis vom 1. August 2023 als unbegründet ab.

3.1. Das Bundesverwaltungsgericht begründet seine Entscheidung zusammengefasst damit, dass §30 Abs1 AMD-G den Schutz der Menschenwürde verfolge, die dann verletzt sei, wenn eine bestimmte Person zum Objekt herabgewürdigt werde. Dieser Schutz umfasse insbesondere auch die Darstellung von Tod, Verletzung und Schmerz (unter Hinweis auf die zu §10 Abs1 ORF-G ergangene Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes, etwa VwGH 18.10.2016, Ra 2016/03/0066). Die Berichterstattung der Beschwerdeführerin habe diesen Schutz in mehreren Konstellationen nicht gewahrt: Erstens durch die Darstellung des angeschossenen, zu Boden gehenden Polizisten, zweitens durch Ausstrahlung von Videomaterial von im Zuge des Terroranschlages verletzten Personen sowie, drittens, durch die Veröffentlichung eines Fotos des toten Attentäters.

Daran ändere – entgegen dem Vorbringen der Bescheidbeschwerde – auch nichts, dass die Betroffenen wegen Verpixelung der Gesichter größtenteils nicht unmittelbar identifizierbar gewesen seien, weil die Darstellung zumindest dem nahen sozialen Umfeld der Betroffenen im Nachhinein dennoch eine Identifizierung (etwa aus dem Kontext der Ereignisse oder anhand der Kleidung) ermögliche. Auch das besondere Interesse der Öffentlichkeit an der Berichterstattung über den Terroranschlag könne diese Art der Berichterstattung nicht rechtfertigen.

Die Beschwerdeführerin habe sich zudem entgegen der journalistischen Sorgfaltspflicht verhalten und dadurch §41 Abs5 AMD-G verletzt, indem sie ihre bildliche Berichterstattung entgegen den Aufrufen der LPD Wien, keine Bilder im Zusammenhang mit dem Terroranschlag in sozialen Medien zu verbreiten, um die Einsatzkräfte und die Zivilbevölkerung nicht zu gefährden, unverändert fortgesetzt habe. Anstelle der Berichterstattung mit Video- und Fotoaufnahmen wäre auch eine bloß verbale Berichterstattung möglich gewesen.

3.2. Im Einzelnen geht das Bundesverwaltungsgericht in Übereinstimmung mit den Feststellungen der KommAustria von folgendem – unbestrittenen – Sachverhalt aus (ohne die Hervorhebungen im Original):

"Zur Berichterstattung am Abend des 02.11.2020

Vorauszuschicken ist, dass im Vorfeld der ca um 21:52 Uhr erstmals beginnenden

Berichterstattung im Fernsehprogramm 'A***' über die Ereignisse in der Wiener Innenstadt am Abend des 02.11.2020 folgende Tweets der Landespolizeidirektion Wien (LPD) ergingen:

[…]

Im Fernsehprogramm 'A***' wurde um ca 21:52:50 Uhr das laufende Programm unterbrochen, um die Sendung 'B' auszustrahlen, die die Berichterstattung im Zusammenhang mit dem Anschlag in der Wiener Innenstadt zum Gegenstand hatte.

Um ca 21:53:35 Uhr werden Live-Aufnahmen eingespielt. Diese zeigen Beamte

während des Einsatzes am Hohen Markt in der Wiener Innenstadt. Die Einsätze der Polizei, samt Bewaffnung und Transportmittel, werden in Großaufnahme mitgefilmt.

[…]

Um ca 21:54:50 Uhr entwickelt sich nachstehendes Gespräch zwischen dem Moderator […] (im Folgenden: Moderator) und der Reporterin […] (im Folgenden: Reporterin):

Moderator: '[…], du bist uns jetzt live zugeschaltet. Was weiß man denn bisher. Ist immer noch höchste Alarmstufe, also, dass dieser Terrorakt noch im Gange ist?'

Reporterin: 'Ja, die Großfahndung ist hier in der Wiener Innenstadt noch im Gange. Man sieht das hinter mir sehr gut. Die Polizei ist mit einem Großaufgebot vor Ort. Jede Ecke hier um den Schwedenplatz, das Ausgehviertel Wiens, ist abgeriegelt. Also man kommt hier kaum noch durch. Die Polizei, das Innenministerium, hat die Wiener aufgerufen, in ihren Wohnungen, in ihren Häusern zu bleiben und diese Wohnungen nicht zu verlassen, weil die Lage eben noch so ungewiss ist. Es ist eben unklar. Es soll mehrere Täter geben. Einer wurde offenbar gefasst, einer soll sich in die Luft gesprengt haben. Es soll hier bei diesem Terrorakt mehrere Verletzte geben. Einer davon offenbar ein Polizist. Es soll aber noch mehrere Opfer geben, das ist derzeit aber nicht bestätigt …'

Um ca 21:56:20 [Uhr] meldet der Moderator:

'[S]oeben haben wir die offizielle Stellungnahme bekommen, die dramatische, dass ein Polizist im Einsatz offensichtlich unter den Opfern ist. Also es gibt auch ein Augenzeugenvideo davon, als ein Polizist niedergeschossen wird, und dieser Mann dürfte jetzt seinen schweren Verletzungen erlegen sein, bestätigt das Innenministerium vor Kurzem …'

Um ca 21:57:30 Uhr werden patrouillierende Beamte live in Großaufnahme an der Ecke Kramergasse/Lichtensteg gezeigt:

[…]

Um ca 22:03:55 Uhr wird ein Video eingespielt. Auf diesem ist, von oben gefilmt, zu sehen, wie der Täter eine Gasse hinaufläuft, dann innehält und zwei Schüsse abfeuert, bevor er weiterläuft. Die Schussgeräusche sind deutlich hörbar.

[…]

Dies wird vom Moderator wie folgt kommentiert:

'Ich höre gerade, wir haben jetzt erste Bilder von Augenzeugen, die diesen Einsatz. Wir sehen hier zum Beispiel den Blick runter in eine Gasse in der Wiener Innenstadt und hier wird gleich einer der mutmaßlichen Täter auftauchen, mit einer halbautomatischen Waffe und in eine wilde Schießerei verwickelt sein. Wir zeigen dieses Video von Augenzeugen zur Gänze. Über diesen Teppich wird er ins Freie treten. Welches Gebäude das ist und was er da drin getan hat, wissen wir nicht. Das sind auch die Originaltonaufnahmen, selbstverständlich. Das sind unglaubliche Bilder aus Österreich, meine Damen und Herren.'

Das Video wird später wiederholt.

Um ca 22:04:56 Uhr wird ein neues Video eingeblendet und mehrfach wiederholt. Auf diesem ist ein Ausgang der U-Bahnstation Schwedenplatz zu sehen, hinter dem sich zwei Personen zu verstecken versuchen. Währenddessen sind Schussgeräusche deutlich wahrzunehmen. Dazu hört man eine Stimme sagen: 'Kopf rein, Kopf rein, Kopf rein. Das hat da Häuser getroffen. Kopf rein, Kopf rein.'

[…]

Um 22:05 Uhr meldet die APA Folgendes:

[…]

Um ca 22:05:37 Uhr wird ein weiteres Video eingeblendet, wobei offensichtlich aus einem Lokal am Schwedenplatz heraus gefilmt wird. Dabei ist zu sehen, wie sich zwei Polizisten mit gezogener Waffe einer Person zu nähern versuchen. Diese Person eröffnet das Feuer, wobei die abgegebenen Schüsse gut hörbar sind. Im Zuge des Schusswechsels wird ein Polizist offenkundig getroffen, geht zu Boden und krümmt sich. Folgender Ton ist unter anderem aus dem Video deutlich zu hören: 'Oh mein Gott. Die haben ihn erschossen Mann. Bist Du deppad.'

[…]

Daraufhin wird um ca 22:05:54 [Uhr] ein weiteres Video eingeblendet. Auf diesem sieht man den Außenbereich des Lokals '***' Ecke Ruprechtsplatz/Salzgasse. Dort sind mehrere Menschen, die eine am Boden liegende Person betreuen sowie eine große Blutlache deutlich sichtbar. Die am Boden liegende Person ist in der Folge aufgrund des Schussattentats verstorben.

[…]

Während der Einblendung dieses Videos kommentiert der Moderator wie folgt:

'Ein Wiener Innenstadt Lokal. Ganz offensichtlich liegt hier ein Getroffener im eigenen Blut. Furchtbar diese Szenen, die wir für Sie hier zusammengesammelt haben von Augenzeugen. Natürlich, meine Damen und Herren, ist das alles ungefiltert. Das sind erste Eindrücke. Es gibt auch keine bestätigten Quellen sozusagen. Wann ist das aufgenommen worden, was genau ist zu sehen. Aber es sind Bilder von heute Abend in Wien, die wir Ihnen nicht vorenthalten wollen. Bei diesem Anschlag, Terroranschlag wie es der Innenminister unmissverständlich in einer Stellungnahme vor wenigen Augenblicken genannt hat. […]'

Danach führt der Moderator um ca 22:09:53 Uhr Nachstehendes aus:

'Was wir Ihnen zeigen können, ist ein Foto jenes Mannes, der unter Umständen zur Tätergruppe gehören soll. Ich glaube, dass das, was mir die Redaktion gerade gesagt, auch jener Mann ist, auch den wir vorhin auf einem Augenzeugenvideo gesehen haben. Es soll dieser Mann, der offensichtlich dingfest gemacht werden konnte, überwältigt werden konnte, nicht unter den Toten sein, aber zumindest von der Polizei gestoppt werden können und es dürfte einer der Täter sein, die heute Abend in Wien einen Terroranschlag verübt haben. Ob es dieselbe Person ist, die wir vorhin gesehen haben in dem Augenzeugenvideo, ist nicht bestätigt.'

Dazu wird das vom Moderator erwähnte Bild eingeblendet, das eine bäuchlings und mit dem Gesicht am Boden liegende Person, die ganz offensichtlich leblos ist, darstellt.

[…]

Um ca 22:10:55 Uhr weist der Moderator auf eine Meldung der Polizei hin:

'Die Polizei bittet die Menschen in Wien zuhause zu bleiben. Die öffentlichen Verkehrsmittel in Wien stehen, sind derzeit nicht zu benutzen, um diesen Einsatz nach Möglichkeit nicht zu stören oder gar auch sich als Passant in eine gefährliche Situation zu begeben. Weil die Lage sehr, sehr unübersichtlich ist und wir zur Stunde nicht sagen können, wie viele Täter wie schwer bewaffnet noch unterwegs sind.'

Um ca 22:15 Uhr ergeht vom Twitter-Kanal der LPD Wien folgende Nachricht:

[…]

Um ca 22:16:37 Uhr wird vom Moderator Nachstehendes erklärt:

'Und es gibt auch erste Bilder von möglichen Opfern. Wir haben vorhin Aufnahmen gesehen in einem bekannten Lokal, einem Restaurant. Und auch hier sieht man, dass Menschen offensichtlich schwer verletzt worden sind, die, ähm, getroffen worden sind. Entweder von Projektilen oder von abprallenden Projektilen und es gibt sehr viele Opfer, sagt die Wiener Berufsrettung, mehrere Tote und Schwerverletzte. Über die genaue Zahl können wir auch noch keine bestätigten Informationen Ihnen geben. Wir zeigen diese Bilder ganz bewusst, meine Damen und Herren. Es ist doch in dieser Form in Österreich sehr lang nicht mehr vorgekommen, dass ein Terroranschlag inmitten des Lebens sozusagen, noch dazu am Abend vor dem Lockdown, uns trifft.'

Während dieser Ausführungen werden Aufnahmen eingeblendet, die verletzte Personen und Helfer darstellen, wobei Verletzungen, Blutspuren und teilweise Gesichter erkennbar sind.

[…]

Die Sendung 'B***' endet um ca 22:18:30 Uhr.

Danach wird die durch sie unterbrochene Sendung 'C***' weitergeführt. Um ca 22:30:30 Uhr wird die Sendung 'C***' beendet.

Es erfolgt um ca 22:30:30 Uhr wiederum die Sendung 'B***'.

[…]

Um ca 22:35:58 Uhr sagt der Moderator Folgendes:

'Wie immer ist in so einer Situation dies eine Gratwanderung, dem Informationsbedürfnis der Fernsehzuseher nachzukommen und sich in wilden Spekulationen zu ergehen. Letzteres wollen wir unbedingt vermeiden.'

[…]

Die Sendung 'B***' endet um ca 22:50:35 Uhr."

3.3. Im Einzelnen begründet das Bundesverwaltungsgericht seine Entscheidung folgendermaßen:

"[…] Zum Vorbringen betreffend die Spruchpunkte 1.a) ii), iv) und v) des angefochtenen Bescheids (Verletzung des §30 Abs1 AMD-G):

[…]Allgemeines:

Der Menschenwürde kommt in der Rechtsordnung grundsätzliche Bedeutung zu. Sie umfasst in ihrer Komplexität zahlreiche zu schützende Aspekte und hat tragende Bedeutung in der Beurteilung von Fallkonstellationen, welche Folter, unmenschliche Behandlung oder Bestrafung (zB Todesstrafe, lebenslange Freiheitsstrafen), erniedrigende Behandlung oder Bestrafung (zB Polizeigewalt, Haftbedingungen), Sklaverei, Leibeigenschaft, Menschenhandel, aber auch die Fairness im Verfahren sowie die Achtung des Privatlebens betreffen. Darüber hinaus gewährleistet sie den Würdeschutz vor der Geburt und nach dem Tod sowie im Zusammenhang mit Suizid, Sterbehilfe, sexueller Identität oder Diskriminierung […].

Der Menschenwürde-Schutz besitzt zwei Funktionen: Zum einen dient er als Abwehrrecht gegen verletzende staatliche Maßnahmen, wendet sich also unmittelbar gegen den Staat; zum anderen dient er aber auch dem Schutz gegen Verletzungen durch Dritte, wodurch ein Schutzanspruch durch den Staat gewährt werden soll. Das deutsche Bundesverfassungsgericht hat in seiner Rechtsprechung ausgeführt, dass es den Begriff der Menschenwürde als tragendes Konstitutionsprinzip im System der Grundrechte versteht […]. Mit ihm ist der soziale Wert- und Achtungsanspruch des Menschen verbunden, der es verbietet, den Menschen zum bloßen Objekt des Staates zu machen oder ihn einer Behandlung auszusetzen, die seine Subjektqualität prinzipiell in Frage stellt. Menschenwürde in diesem Sinne ist nicht nur die individuelle Würde der jeweiligen Person, sondern die Würde des Menschen als Gattungswesen. Jeder besitzt sie, ohne Rücksicht auf seine Eigenschaften, seine Leistungen und seinen sozialen Status. Sie ist auch dem eigen, der aufgrund seines körperlichen oder geistigen Zustands nicht sinnhaft handeln kann. Selbst durch 'unwürdiges' Verhalten geht sie nicht verloren. Sie kann keinem Menschen genommen werden […].

Ein Eingriff in den Schutzbereich der Würde des Menschen wird somit angenommen, wenn seine Subjektqualität in Frage gestellt wird […]. Aus der Spruchpraxis des EGMR zeigt sich, dass für eine Verletzung der Achtung der Menschenwürde nicht die öffentliche Meinung entscheidend ist, sondern das Würdegefühl des Opfers, sowie dass es auf den Einzelfall ankommt und kein genereller Maßstab festgelegt werden kann […]. Eine Verletzung der Achtung der Menschenwürde ist immer dann anzunehmen, wenn eine bestimmte Person zum Objekt herabgewürdigt wird; wenn also dem Betroffenen in menschenverachtender Weise seine Menschqualität abgesprochen und er zum Objekt eines beliebigen Verhaltens degradiert wird. Eine solche Beurteilung kann nur im Einzelfall erfolgen.

Gemäß §30 Abs1 AMD-G müssen audiovisuelle Mediendienste im Hinblick auf ihre Aufmachung und ihren Inhalt die Menschenwürde und die Grundrechte anderer achten. Adressat dieser Bestimmung ist der Mediendiensteanbieter, der im Rahmen seiner redaktionellen Verantwortung die Sicherstellung des Schutzes der Menschenwürde in seinem Angebot zu gewährleisten hat […].

Die Bestimmung des §30 AMD-G entspricht §10 Abs1 ORF-G, wonach alle Sendungen des ORF im Hinblick auf ihre Aufmachung und ihren Inhalt die Menschenwürde und die Grundrechte anderer achten müssen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat diesbezüglich festgehalten, dass mit §10 Abs1 ORF-G die Achtung der Würde des Menschen, seiner Freiheit und seiner Eigenverantwortlichkeit im Interesse einer keinen Zweifel zulassenden Durchführung des Europäischen Übereinkommens über das grenzüberschreitende Fernsehen, Bundesgesetzblatt Teil 3, Nr 164 aus 1998,, normiert wird. Der darin zum Ausdruck gebrachte Grundsatz bedeutet insbesondere, dass die Intimsphäre des Einzelnen, etwa bei der Darstellung von Tod, Krankheit, Schmerz und Trauer nicht verletzt werden darf sowie dass bei Interviews und Talkshows die Würde und Intimsphäre des Befragten bzw des Gesprächspartners gewahrt werden müssen […]. Durch seinen Verweis auf die Menschenwürde und die Grundrechte anderer legt §10 Abs1 ORF-G die allgemeinen Menschenrechte und Grundfreiheiten, so wie sie in den in Österreich anzuwendenden Rechtsvorschriften insgesamt – insbesondere in der EMRK und im StGG, die beide in Verfassungsrang stehen – zum Ausdruck kommen, als Maßstab fest, anhand dessen die Rechtskonformität einer Sendung des ORF zu beurteilen ist vergleiche VwGH 18.10.2016, Ra 2016/03/0066).

Bereits aus dem bisher Gesagten ergibt sich, dass die beschwerdeführende Partei irrt, wenn sie ganz allgemein davon ausgeht, dass 'eine Verletzung der Persönlichkeitssphäre ohne Betroffenheit (= Erkennbarkeit) völlig unstrittig ausgeschlossen [sei]' […], sie also Betroffenheit und Erkennbarkeit gleichsetzt und daraus für den vorliegenden Fall schließt, dass eine Verletzung von §30 Abs1 AMD-G 'nicht mit dem Schutz der Menschenwürde der in den Berichtssequenzen vorkommenden Personen begründet werden [könne]' [...].

[…] Zu Spruchpunkt 1.a) ii) des angefochtenen Bescheids (angeschossener Polizist):

Im gegenständlichen Video wird ein Schusswechsel am Schwedenplatz zwischen dem Täter und zwei Polizisten gezeigt […]. Einer der Polizisten wird niedergestreckt. Es sind zahlreiche Schüsse und eine Kommentierung hörbar, die beim Zuschauer den Eindruck entstehen lässt, der Polizist sei tödlich getroffen worden. Auch die Anmoderation lässt diesen Schluss zu.

Die belangte Behörde geht davon aus, dass die Handyperspektive des fraglichen Videos in diesem Zusammenhang den Eindruck vermittle, es handle sich um eine harmlose, weil oft vorkommende Szene und dass dies zur Entpersonalisierung der in Wirklichkeit getroffenen Person beitrage, wobei dieses Moment durch die oftmalige Wiederholung des Videos unterstrichen werde. Die Abwägung zwischen Berichterstattungsinteresse und Rechten der betroffenen Person fällt für die belangte Behörde aufgrund der Darstellung der Verletzung und der aus Zuschauersicht – wegen der Anmoderation bzw der Kommentierung des Videos – erwartbaren, mutmaßlichen Tötung des Polizisten zugunsten des Letzteren und seiner zu schützenden Menschenwürde aus. Die für die Öffentlichkeit relevante Berichterstattung hätte ohne Zeigen des Videos bedient werden können.

Die beschwerdeführende Partei sieht in der Gestaltung des Beitrages eine korrekte Abbildung des Geschehens in der Terror-Nacht und eine angemessene, zugleich warnende Berichterstattung über die Ereignisse in Wien. Die gezeigte Szene entspreche dem Anspruch einer international üblichen Dokumentation eines Terror-Ereignisses und erfülle eine Belegfunktion, welche das Bedrohungspotential und die Dramatik der damaligen Ereignisse dokumentiere.

Diese Auffassung der beschwerdeführenden Partei ist für das Bundesverwaltungsgericht aus folgenden Gründen nicht berechtigt:

Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass im fraglichen Video keine der gezeigten Personen erkennbar ist. Die medienrechtliche Judikatur legt bezüglich der Anforderungen an die Erkennbarkeit im Zusammenhang mit einer möglichen Verletzung der Menschenwürde einen sehr strengen Maßstab zugunsten des Betroffenen an. Danach reicht es für die Erkennbarkeit aus, wenn die betroffene Person für ihr unmittelbares soziales Umfeld erkennbar ist. Dem berichterstattenden Medium ist generell jede Identifizierung eines Menschen zuzurechnen, die eine Erkennbarkeit des Betroffenen in seinem sozialen – über den vorinformierten Familien- und Bekanntenkreis hinausgehenden – Umfeld bewirkt. Die Erkennbarkeit für eine breite Öffentlichkeit ist grundsätzlich nicht Voraussetzung […].

Das Bundesverwaltungsgericht geht davon aus, dass die Erkennbarkeit als medienrechtliches Kriterium für eine mögliche Verletzung der Menschenwürde im Regelfall für den durchschnittlichen Zuseher im Moment der Ausstrahlung gegeben sein muss. Dies ist hier nicht der Fall. Es ist jedoch aufgrund der besonderen Umstände der 'Terrornacht' in Wien davon auszugehen, dass es ausreicht, wenn das Element der Erkennbarkeit einerseits im Nachhinein und andererseits, der soeben zitierten Judikatur des OGH folgend, für das unmittelbare soziale Umfeld des Betroffenen hinzutritt, um dessen Verletzung in seiner Menschenwürde zu bejahen: Selbst wenn – unbestritten – im Moment der Ausstrahlung der fraglichen Videoszene von einem durchschnittlichen Zuseher das betroffene Exekutivorgan, auf das geschossen wurde, nicht erkannt werden konnte, so musste der beschwerdeführenden Partei dennoch bereits zum Zeitpunkt der Ausstrahlung bewusst sein, dass während der zweifelsohne erwartbaren Aufarbeitung der Ereignisse der 'Terrornacht' zumindest für das unmittelbare soziale Umfeld des niedergestreckten Menschen dieser erkennbar (nicht im Sinne von visuell identifizierbar, sondern im Sinne von zuordenbar) werden konnte. Es kann aber in einem Fall wie dem vorliegenden, in dem eine Aufarbeitung außergewöhnlicher Ereignisse – nämlich des ersten Terroranschlags in Österreich nach Jahrzehnten – für einen Mediendiensteanbieter voraussehbar ist, für das Kriterium der Erkennbarkeit nicht ausschlaggebend sein, dass diese im Moment der Ausstrahlung für den durchschnittlichen Zuseher vorliegt, sondern muss auch ein späteres 'Erkennen' im Sinne von 'Zuordnen können' für das unmittelbare soziale Umfeld ausreichen, um eine Verletzung der betroffenen Person in ihrer Menschenwürde zu bejahen.

In diesem Zusammenhang ist insbesondere auf die (bereits von der belangten Behörde zitierte) Rechtsprechung des EGMR hinzuweisen, nach der das Veröffentlichen eines Fotos einer ermordeten Person in einer Zeitung einen schweren Eingriff in die Trauer der Angehörigen sowie deren Privatleben darstellt und ein solches Foto die Menschenwürde verletzt. Das Leiden und der Kummer der Angehörigen hätten die publizierenden Journalisten dazu bewegen müssen, Umsicht und Vorsicht walten zu lassen, vor allem auch aufgrund des gewaltsamen Todes der Person. Das Ergebnis der Publikation des Fotos bedeute die Vergrößerung des Traumas der Angehörigen […]. Journalisten müssen bei der Veröffentlichung ihrer Beiträge mitbedenken, welche Auswirkungen das Bekanntwerden von Tatsachen insbesondere für die Betroffenen haben kann […]. Umgelegt auf den gegenständlichen Fall bedeutet dies, dass die beschwerdeführende Partei die Auswirkungen der Ausstrahlung des Attentats auf den Polizisten auf dessen unmittelbares soziales Umfeld mitbedenken hätte müssen.

Wenn die beschwerdeführende Partei in der Gestaltung des Beitrages eine korrekte Abbildung des Geschehens in der Terror-Nacht und eine angemessene, zugleich warnende Berichterstattung über die Ereignisse in Wien sieht, welche das Bedrohungspotential und die Dramatik der damaligen Ereignisse dokumentiere und meint, '[…] Sämtliche Elemente, die das Bedrohungspotential und die Dramatik der damaligen Ereignisse dokumentieren und belegen würden, würden vollständig aus der Berichterstattung entfernt werden, wenn die von […] litii […] Spruchpunktes römisch eins.a erfassten Sequenzen nicht gezeigt werden dürften.', so ist ihr entgegenzuhalten, dass auch von einem audiovisuellen Medium wie dem Fernsehen dieses Ziel mit gelinderen, weniger auf das Bedienen der Sensationslust ausgerichteten Mitteln erreicht werden kann, als mit dem Senden eines mit einem Smartphone aufgenommenen Amateurvideos eines Schusswechsels, bei dem eine Person zumindest schwer verletzt wird, inklusive verstörender Kommentierung. Zu diesem Ergebnis hätte auch die beschwerdeführende Partei bei einer Abwägung zwischen legitimem Berichterstattungsinteresse und dem Interesse des durch einen Schuss schwer verletzten, aufgrund der Kommentierung mutmaßlich verstorbenen Polizisten, nicht im Zeitpunkt des Schreckens, Schmerzes und Leides öffentlich gezeigt zu werden, kommen müssen. Daran ändert weder das Vorbringen der beschwerdeführenden Partei, dass es sich bei der 'Terrornacht' um ein historisch herausragendes Ereignis in Österreich gehandelt habe, noch der Verweis auf die Berichterstattung zu anderen Terror- und Katastrophenereignissen etwas.

Für das Bundesverwaltungsgericht steht fest, dass Szenen wie der verfahrensgegenständlichen im Fernsehen kein Raum zu geben ist: Das Gebot der Achtung der Menschenwürde beinhaltet das Verbot des Herabwürdigens eines Menschen zum Objekt […] und daher auch das Verbot der Behandlung von Menschen als Mittel für fremde Zwecke, seien es auch Zwecke der Warnung oder Dokumentation.

Die belangte Behörde führt daher völlig zu Recht aus […]: 'Der durch die Handyperspektive vermittelte Eindruck, hier handle es sich um eine harmlose weil oft vorkommende Szene, trägt zum Eindruck der Entpersonalisierung der jedoch in Wirklichkeit getroffenen Person bei, wobei dieses Moment durch die oftmalige Wiederholung unterstrichen wird. Die vor der Ausstrahlung solcher Szenen vorzunehmende Abwägung zwischen einem legitimen Berichterstattungsinteresse und den Rechten der betroffenen Person fällt aufgrund der Darstellung der Verletzung und der aus Zuschauersicht erwartbaren, mutmaßlichen Tötung des Polizisten – welche insbesondere durch das im Video deutlich zu hörende Gesprochene ('Oh mein Gott. Die haben ihn erschossen, Mann. Bist Du deppad.') in Verbindung mit dem spektakulären Zusammenbruch des Polizisten jedenfalls insinuiert wird – klar zugunsten des Letzteren und seiner zu schützenden Menschenwürde aus. Auch erschließt sich das Erfordernis der Ausstrahlung der Szenen nicht, da eine Berichterstattung über das für die Öffentlichkeit Relevante durch ein 'gelinderes Mittel', nämlich ohne Zeigen des Videos hätte bedient werden können.'

Zusammenfassend ist das Bundesverwaltungsgericht der Ansicht, dass die beschwerdeführende Partei durch die Ausstrahlung der Szene, die den Schuss auf einen Polizisten am Schwedenplatz darstellt, die Menschenwürde durch die Darstellung einer angeschossenen Person und – jedenfalls durch den begleitenden Ton aus Zuschauerperspektive erwartbar – des Sterbevorgangs der Person verletzt hat. Sie hat damit gegen §30 Abs1 AMD-G verstoßen.

[…] Zu Spruchpunkt 1.a) iv) des angefochtenen Bescheids (Verletzte/Verletzungen):

Während der Sendung wurde Bildmaterial gezeigt, auf dem unter anderem Personen, die in der 'Terrornacht' zufälligerweise in der Innenstadt anwesend waren und gerade verletzt oder versorgt wurden, zu sehen sind. Es sind am Boden liegende und zum Teil entblößte Personen zu sehen, die gerade medizinisch erstversorgt werden […]. Auf zwei weiteren Bildern […] sind Betroffene mit Verletzungen größeren Ausmaßes, die von großem Blutverlust zeugen, in Nahaufnahme zusehen.

Die belangte Behörde geht davon aus, dass die Darstellung von Personen in physischem Schmerz aufgrund von Schussverletzungen, offenkundig in einem physischen und psychischen Ausnahmezustand, keinerlei Mehrwert für die Berichterstattung darstellt. Die Betroffenen seien in einer vulnerablen, höchstpersönlichen Lage zur Schau gestellt worden, wodurch sich kein Mehr an Information für die Allgemeinheit ergebe.

Die beschwerdeführende Partei meint, die Darstellung von Verletzungen, so die Betroffenen in den Szenen unkenntlich gemacht worden seien, sei unabdingbarer Bestandteil der Berichterstattung über die als historische Ereignis zu bezeichnende 'Terrornacht' in Wien. Setze sich der von der belangten Behörde eingenommene Beurteilungsansatz durch, würde mit einem Schlag ein großer Teil der Kriegs-, Terror-, Krisen- und Katastrophenberichterstattung unzulässig und wäre damit ein völliges Verbot der Bildberichterstattung über Anschläge oder Unfälle unter Einbeziehung der Opfer verbunden. Denn die körperlichen und geistigen Befindlichkeiten würden zum Kernbereich der Intimsphäre des Menschen zählen, weshalb dieser von der hier relevanten Berichterstattung stets betroffen sei.

Diese Auffassung der beschwerdeführenden Partei ist für das Bundesverwaltungsgericht aus folgenden Gründen nicht berechtigt:

Die Argumentation der beschwerdeführenden Partei, dass die Darstellung von Verletzungen unabdingbarer Bestandteil der Berichterstattung über das historische Ereignis 'Terrornacht' in Wien sei, ist nicht nachvollziehbar, insbesondere, weil es sich um Nahaufnahmen handelt. Zum Teil sind die Bilder nicht verpixelt und die Personen darauf klar zu erkennen […], zum Teil ist die Kleidung zu erkennen […]. Diese Bilder haben für die Zuseher keinen inhaltlichen Mehrwert hinsichtlich Information, Warnung oder Dokumentation, der nicht auch durch eine weniger dramatische Berichterstattung erreicht werden hätte können, sondern sind klar auf das Bedienen der Sensationslust der Zuseher ausgerichtet. Warum sie unabdingbarer Bestandteil der verfahrensgegenständlichen Berichterstattung sein sollen, erschließt sich dem Bundesverwaltungsgericht nicht.

Wenn die beschwerdeführende Partei in diesem Zusammenhang auf Szenen von zum Teil schwereren Verletzungen verweist, die in der Berichterstattung von Kriegsereignissen in Syrien, bei der Katastrophe von Beirut und ähnlichen Vorfällen weltweit üblich seien und damit ihre eigene Darstellung als weniger dramatisch eingestuft wissen möchte, so übersieht sie, dass die gegenständlichen Bilder jedenfalls in das Verhältnis zu ihrem Kontext zu setzen und anhand des Einzelfalls zu beurteilen sind. Darüber hinaus ist das Bestreben, die eigene Berichterstattung durch Vergleiche mit anderen dramatischen (und unter Umständen die Menschenwürde verletzenden) Berichten als weniger schwerwiegend darzustellen, schon per se kein inhaltliches Argument, sondern ein Versuch, die Schwelle, an der die Verletzung der Menschenwürde beginnt, Stück für Stück höher zu setzen. Es gilt auch in diesem Zusammenhang das bereits oben Gesagte: Das Gebot der Achtung der Menschenwürde beinhaltet das Verbot des Herabwürdigens eines Menschen zum Objekt und daher auch das Verbot der Behandlung von Menschen als Mittel für fremde Zwecke, seien es auch Zwecke der Warnung oder Dokumentation (selbst eines historischen Ereignisses).

Zusammenfassend ist das Bundesverwaltungsgericht der Ansicht, dass die beschwerdeführende Partei durch die Ausstrahlung von Szenen, die verletzte Personen in der Wiener Innenstadt in der 'Terrornacht' zeigen, die Menschenwürde verletzt hat. Sie hat damit gegen §30 Abs1 AMD-G verstoßen.

[…] Zu Spruchpunkt 1.a) v) des angefochtenen Bescheids (toter Attentäter):

Die fragliche Ausstrahlung zeigt ein Foto von einer am Boden liegenden, offensichtlich leblosen, nicht erkennbaren Person. Im Kommentar weist der Moderator darauf hin, dass es sich um jenen mutmaßlichen Attentäter handelt, der vorher gezeigt worden sei.

Die belangte Behörde geht davon aus, dass auch die Darstellung einer Leiche, unbeschadet dessen, ob ihr Gesicht zu sehen sei, eine Verletzung der Achtung der Menschenwürde sein könne. Ein gesonderter Nachrichtenwert sei der Darstellung des leblosen Körpers des Attentäters nicht beizumessen, der nicht beispielsweise auch durch die bloße Meldung über seinen Tod bedient werden hätte können.

Die beschwerdeführende Partei betont, dass der Attentäter nicht erkennbar sei und mangels besonderer Bloßstellung oder Missachtung der Rechtssphäre der Angehörigen auch keine sonstige Verletzung der Menschenwürde vorliege. Die Szene mit dem mutmaßlich zu Tode gekommenen Attentäter sei von großem öffentlichem Interesse. Sie sei nach einer Nacht des Schreckens der glaubwürdige Beleg für das Ende der akuten Bedrohung durch diesen Mann gewesen.

Dem Vorbringen der beschwerdeführenden Partei kann nicht gefolgt werden; hinsichtlich der Gründe wird auf die Ausführungen […] (zu Spruchpunkt 1.a) ii), angeschossener Polizist) verwiesen. Dass es sich beim toten Attentäter um jene Person handelt, die für das Terrorattentat sowie den Tod und die Verletzungen mehrerer Personen verantwortlich war, spielt dabei keine Rolle, da die Menschenwürde durch eigenes 'unwürdiges' Verhalten nicht verloren geht. Dem Attentäter steht ebenso wie jeder anderen Person das Recht auf Achtung in seiner Menschenwürde, auch über den Tod hinaus, zu. Des Weiteren gilt auch hier (wie bereits […] hinsichtlich des angeschossenen Polizisten ausgeführt), dass die beschwerdeführende Partei in einer Abwägung zwischen Berichtsinteresse und Interesse der betroffenen Person, nicht in einem hilflosen Zustand der Öffentlichkeit vorgeführt zu werden, zugunsten Letzterer entscheiden und ein anderes, gelinderes Mittel der Berichterstattung als die Ausstrahlung der fraglichen Szene hätte wählen müssen. Die Notwendigkeit der von der beschwerdeführenden Partei ins Treffen geführten 'Belegfunktion', die ohne das Bild des toten Attentäters nicht erfüllt werden hätte können, kann vom Bundesverwaltungsgericht nicht erkannt werden, da im Zeitpunkt der Ausstrahlung ja noch nicht bekannt war, ob es sich um einen Einzeltäter gehandelt hat und ob daher die gefährliche Situation sowie der Polizeieinsatz in der Wiener Innenstadt noch andauerten.

Das Bundesverwaltungsgericht ist der Ansicht, dass die beschwerdeführende Partei durch die Ausstrahlung eines Bildes der Leiche eines Attentäters die Menschenwürde verletzt hat. Sie hat damit gegen §30 Abs1 AMD-G verstoßen.

[…] Bei diesem Ergebnis hat das Bundesverwaltungsgericht auch die durch Art10 Abs1 EMRK geschützte Meinungsäußerungsfreiheit der beschwerdeführenden Partei sowie die 'public watchdog'-Funktion der Presse in einer demokratischen Gesellschaft berücksichtigt.

[…]

Terrorereignisse stellen Medien vor eine Herausforderung, insbesondere, wenn die Berichterstattung live erfolgt. Es geht bei der journalistischen Sorgfaltsverpflichtung in Zusammenhang mit Terrorberichterstattung auch darum, zu verhindern, dass durch die Berichterstattung Menschen in Gefahr gebracht, Rettungs- oder Sicherheitseinsätze behindert und den Terroristen Informationen geliefert und/oder eine zusätzliche Plattform geboten wird. Da Terroristen durch ihre Gewalttaten Angst und Schrecken verbreiten wollen, kann Sensationsberichterstattung die negativen Auswirkungen des Terrorismus verstärken. Es ist der belangten Behörde daher Recht zu geben, wenn sie meint, dass '[…] die Beurteilung der Frage, ob das ganze verfügbare Bildmaterial gesendet werden darf, sowie inwiefern Ersuchen der Behörden in der Berichterstattung umzusetzen sind, vor dem Hintergrund von Terrorangriffen anders zu gewichten bzw zu beurteilen sein wird.'

[…] Zur Ausstrahlung von Bildern und Videos von Ereignissen der 'Terrornacht' entgegen den Aufrufen der Exekutive:

Im vorliegenden Fall war ab 20:37 Uhr des 2.11.2020 aufgrund einer Twitter-Meldung der LPD Wien klar, dass in der Wiener Innenstadt ein großer Polizeieinsatz im Gange war und nähere Informationen von der Polizei bekannt gegeben würden […]. Spätestens nach den Twitter-Aufrufen der LPD Wien um 21:18 Uhr und um 21:41 Uhr des 2.11.2020, mit denen ausdrücklich dazu aufgefordert wurde, keine Videos und Fotos im Zusammenhang mit den Ereignissen im 1. Bezirk in sozialen Medien zu posten, um Einsatzkräfte und Zivilbevölkerung nicht zu gefährden […], hätte die beschwerdeführende Partei sich unter Bedachtnahme auf die Parameter der journalistischen Sorgfalt auf eine möglichst sachliche, rein informative Berichterstattung ohne 'Sensationsbilder' beschränken müssen. Dadurch, dass sie stattdessen Bilder und Videos ausgestrahlt hat, welche – ebenso wie gepostetes Material in sozialen Medien – für das Bundesverwaltungsgericht zweifelsfrei (aufgrund der möglichen Lokalisierung des Einsatzes) das Potential hatten, den Polizeieinsatz zu behindern und/oder Personen in der Innenstadt zu gefährden, hat sie die journalistische Sorgfalt verletzt.

Die beschwerdeführende Partei bringt diesbezüglich vor, dass es keine Aussendung der Sicherheitsbehörden gegeben habe, wonach institutionalisierte Medien im Rahmen ihrer Berichterstattung kein Bildmaterial zu den Vorfällen zeigen hätten sollen und dass es für das Fernsehen überhaupt keine andere Alternative gebe, als zumindest Teile der Videos aus sozialen Netzwerken selbst in die Berichterstattung einzubeziehen, da jede andere journalistische Aufbereitung die Bevölkerung geradezu zurück in die sozialen Netzwerke treiben würde. Ein Geschehen wie jenes am Abend des 2.11.2020 in der Wiener Innenstadt nicht auch durch Bilder aus dem Netz zu dokumentieren, würde für die Medien ein Berichtsverbot bedeuten.

Diese Argumente überzeugen nicht: Der beschwerdeführenden Partei als Mediendiensteanbieterin, die dem Anwendungsbereich des AMD-G unterliegt, musste die 'Macht von Bildern' einer 'Terrornacht' bewusst sein und besteht diese unabhängig davon, ob diese Bilder im Netz geteilt oder im Fernsehen gezeigt werden. Dass sich in den letzten Jahren eine Parallelberichterstattung in den sozialen Netzwerken entwickelt hat, befreit die beschwerdeführende Partei daher nicht von ihrer Verpflichtung zur journalistischen Sorgfalt in dem Sinne, dass sie auch ohne explizit ans Fernsehen gerichtete Aufforderung der Polizei, eine sorgfältige Auswahl der für die Ausstrahlung verwendeten Szenen treffen – konkret: die hier fraglichen Szenen nicht ausstrahlen – und veröffentlichte Bilder und Videos entsprechend redaktionell bearbeiten sowie dem Zuseher erklären hätte müssen. Ein 'Berichtsverbot', wie es die beschwerdeführende Partei in diesem Zusammenhang sehen möchte, ist für das Bundesverwaltungsgericht aus den Anforderungen der journalistischen Sorgfalt an die Berichterstattung in einer Ausnahmesituation wie der 'Terrornacht' keinesfalls ableitbar.

In diesem Zusammenhang ist auch auf die Entscheidung 2020/295 des Österreichischen Presserats zur Berichterstattung in der 'Terrornacht' durch ein österreichisches Online-Medium hinzuweisen, wo es heißt […]:

'Ein polizeilicher Aufruf, auf die Veröffentlichung von Bild- und Videomaterial zu verzichten, ist für die Medien zwar nicht bindend. Dennoch sollte er Journalistinnen und Journalisten dazu veranlassen, vor der Veröffentlichung eines besonders strenge Abwägung zwischen den Informationsinteressen der Userinnen und User einerseits und den Interessen an der Strafverfolgung und dem Schutz der Bevölkerung vor den Terroristen andererseits vorzunehmen. Unmittelbar nach einer Terrorattacke kann die Offenlegung von Informationen in den Medien – die ja auch gegenüber dem Täter bzw weiteren Tätern und Komplizen erfolgt oder erfolgen könnte – der Ermittlungsarbeit der Behörden schaden. Außerdem können dadurch auch Einsatzkräfte und unbeteiligte Personen, die sich in der Nähe des Tatorts befinden, gefährdet werden. Die Gewährleistung der öffentlichen Sicherheit ist ein bedeutsames Interesse der Allgemeinheit. Dieses Interesse nicht zu beeinträchtigen, kann in die Abwägung zu Lasten der Medien einfließen. Nach Ansicht des Senats spielt es dabei keine Rolle, dass sich die Aufrufe der Polizei zunächst an die Allgemeinheit gerichtet haben, kein Bildmaterial in den sozialen Medien zu posten. Es versteht sich von selbst, dass auch professionelle Medien, die über eine entsprechende große Reichweite verfügen und deren Online-Artikel regelmäßig in den sozialen Medien zitiert und weiterverbreitet werden, diese Aufrufe ernst nehmen und bei ihren redaktionellen Entscheidungen bedenken müssen.'

Das Gebot der journalistischen Sorgfaltspflicht im Sinne des §41 Abs5 AMD-G hätte ein Medium also dazu verleiten müssen, aus eigenem den Verhaltensempfehlungen der Polizei Rechnung zu tragen. Es ist kein Grund zu erkennen, warum diese Auffassung nicht auch für das Fernsehen gelten sollte. Die belangte Behörde führt daher ganz zu Recht aus […]: 'Die Tweets der LPD Wien konnten nur dahingehend verstanden werden, dass jegliche Verbreitung von Bildern und Videos aus der Tatnacht auch in Fernsehprogrammen, die eine weit höhere Glaubwürdigkeit (und in der Gleichzeitigkeit der Ausstrahlung eine höhere Reichweite) haben, zu unterlassen ist.'

Zwar ist der beschwerdeführenden Partei dahingehend Recht zu geben, dass einige Male während der Sendung die gezeigten Bilder und Videos als nicht gesichertes Material kontextualisiert wurden, sodass nicht verschwiegen wurde, dass es sich um eine ungewisse Quellenlage bzw Material von nicht näher bestimmbarer Herkunft gehandelt hat und die Lage weiterhin sehr unübersichtlich war. Dennoch besteht für das Bundesverwaltungsgericht kein Zweifel daran, dass die Berichterstattung insgesamt für den Zuseher den Eindruck erweckt hat, dass bis spät in die Nacht noch Schusswechsel im Gange gewesen wären, wohingegen der Täter bereits um 20:09 Uhr des 2.11.2020 erschossen wurde und dass die Berichterstattung insgesamt darauf ausgerichtet war, die Sensationslust der Fernsehzuseher zu befriedigen. Wenn die beschwerdeführende Partei dazu meint, man wisse zwar heute, dass der Anschlag mit dem Tod des (offenbar) Alleintäters beendet worden sei, wohingegen dies zum Zeitpunkt der Berichterstattung völlig offen gewesen sei, so mag das zwar zutreffen, jedoch ändert das nichts daran, dass ab dem Zeitpunkt des Todes des Attentäters – entgegen dem von der beschwerdeführenden Partei erweckten Eindruck – keine Gewaltausbrüche von Attentätern mehr stattfanden, sondern sich die Situation langsam beruhigt hat.

Abschließend ist der beschwerdeführenden Partei noch zu widersprechen, wenn sie meint, dass die Zuseher durch das Zeigen der Bilder der Polizeieinsätze nicht mehr erfahren hätten, als dass ein Großeinsatz in den Wiener Innenbezirken im Gange gewesen sei. Die belangte Behörde führt in diesem Zusammenhang zu Recht aus […]: 'Es bedarf keiner weiteren Erörterung, dass die Preisgabe von Details über einen Polizeieinsatz, insbesondere, wenn er tatsächlich am Laufen und von einer derartigen Dimension ist, geeignet ist, letzteren zu hintertreiben bzw zu behindern und insbesondere dem/den Täter/Tätern Informationen zur Verfügung zu stellen, die ihm/ihnen wesentliche Vorteile verschaffen'.

Das Bundesverwaltungsgericht ist der Ansicht, dass die beschwerdeführende Partei durch die entgegen der Aufrufe der Exekutive erfolgte Ausstrahlung von Bildern und Videos von Ereignissen der 'Terrornacht' nicht den anerkannten journalistischen Grundsätzen entsprochen hat. Sie hat dadurch §41 Abs5 AMD-G verletzt."

4. Gegen diese Entscheidung richtet sich die vorliegende, auf Art144 B-VG gestützte Beschwerde, in der die Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf Meinungsäußerungs- und Medienfreiheit gemäß Art10 EMRK behauptet und die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Erkenntnisses, in eventu die Abtretung der Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof, beantragt wird.

Begründend wird dazu im Wesentlichen Folgendes ausgeführt (ohne die Hervorhebungen im Original):

"Die Beschwerdeführerin hat im Verfahren hinsichtlich der inkriminierten Berichterstattung

- zum angeschossenen Exekutivbeamten (Spruchpunkt 1 .a litii),

- den verletzten Passanten in der Innenstadt (Spruchpunkt 1  a litiv) und

- des Attentäters selbst (Spruchpunkt 1 .a litv)

darauf hingewiesen, hier stehe einer Verletzung der Menschenwürde (jedenfalls in ihrer subjektiv-rechtlichen Ausprägung) entgegen, dass die Betroffenen im Bericht gar nicht erkennbar sind. Dies gilt jedenfalls für die Berichtsteile, auf die sich die Spruchpunkte litii und v beziehen, im Übrigen aber auch für größere Teile jener Berichtspassagen, die von Spruchpunkt 1 .a litiv erfasst sind. Dass die Erkennbarkeit (zumindest in dem bislang in der äußerungs- und medienrechtlichen Judikatur vorherrschenden Verständnis) fehlt, gesteht offenbar auch das BVwG zu [...], meint aber, das sei nicht entscheidend.

Das ist zumindest in dieser generellen Weise verfehlt. Denn richtigerweise ist für eine Beeinträchtigung der Menschenwürde in subjektiv-rechtlich verstandener Hinsicht die Erkennbarkeit Voraussetzung (eine andere Frage ist, wie weit man die Kriterien, die zur Erkennbarkeit führen, zieht […]). Das schließt allerdings nicht aus, dem Menschenwürdebegriff der rundfunkrechtlichen Normen verfassungskonform auch eine zweite Beziehungsebene zu geben, nämlich im Bezug auf den Medienkonsumenten. In dieser Ebene – das konstatiert die Beschwerdeführerin, obwohl ihren Interessen zuwiderlaufend – sind Darstellungen denkbar, die keine erkenn- oder individualisierbaren Personen zeigen, und trotzdem gegen das rundfunkrechtliche Gebot der Achtung der Menschenwürde verstoßen […]. Ausgangspunkt muss allerdings so oder so das Verständnis dessen, was Menschenwürde ausmacht und konturiert, sein.

[…]

Nach dem Verständnis der Beschwerdeführerin geht ohnedies auch das BVwG von einem vergleichbaren Verständnis aus ([…]'Eine Verletzung der Achtung der Menschenwürde ist immer dann anzunehmen, wenn eine bestimmte Person zum Objekt herabgewürdigt wird; wenn also dem Betroffenen in menschenverachtender Weise seine Menschqualität abgesprochen und er zum Objekt eines beliebigen Verhaltens degradiert wird. Eine solche Beurteilung kann nur im Einzelfall erfolgen.'), wendet diesen dann aber in einer die Verfassungswidrigkeit begründenden unrichtigen Weise an.

Denn aus dem genannten Ansatz muss folgen, dass es zumindest bezogen auf die Menschenwürde und die Grundrechte des Betroffenen auf dessen Erkennbarkeit ankommen muss. Denn nur dann ist es überhaupt denkbar, dass durch die Sendung eine Herabwürdigung zum Objekt eintritt bzw der dem Wesen des Menschen entspringende Achtungsanspruch negiert wird […]. Es ist daher aus Sicht der Beschwerdeführerin der KommAustria und dem BVwG gar nicht zu widersprechen, wenn sie den Tod ebenso wie schweres körperliches Leid dem Schutzbereich der Menschenwürde zuordnen. Tatsächlich zählt zur Würde des Sterbens und des Todes ein Zugeständnis an Intimität und Privatheit, an den Schutz vor den Blicken einer anonymen Öffentlichkeit in den Momenten der Schwäche und des Verlusts der Kontrolle über den Körper […]. Hieraus wird der Grundsatz abgeleitet, als abgebildeter Sterbender bzw Toter nicht identifizierbar zu sein (sofern nicht besondere Umstände vorliegen; […]). Dem wird in der Praxis der Bildberichterstattung regelmäßig dadurch Rechnung getragen, dass das Gesicht des Toten nicht zu sehen oder jedenfalls unkenntlich gemacht ist […].

Bei aller Grausamkeit und Dramatik der hier in Rede stehenden Geschehnisse darf dieser Umstand entgegen der von KommAustria und BVwG vertretenen Ansicht nicht außer Acht bleiben. Denn aus dargelegten Gründen muss bei mangelnder Erkennbarkeit eine Verletzung der individualrechtlich geschützten Sphäre ausscheiden und in dieser Beziehungsebene eine Beeinträchtigung der Menschenwürde verneint werden. Denn sowohl verfassungsrechtlich als auch einfachgesetzlich ist eine Verletzung der Persönlichkeitssphäre ohne Betroffenheit (= Erkennbarkeit) völlig unstrittig ausgeschlossen. Daraus folgt, dass jedenfalls hinsichtlich des Exekutivbeamten (Spruchpunkt 1 .a litii), der verletzten Passanten in der Innenstadt soweit sie nicht erkennbar sind (Spruchpunkt 1 .a litiv) und des Attentäters eine Verletzung (Spruchpunkt 1 .a litv) von §30 Abs1 AMD-G jedenfalls nicht mit dem Schutz der Menschenwürde der in den Berichtssequenzen vorkommenden Personen begründet werden kann.

Es ist daher schlicht unrichtig, wenn das BVwG behauptet, die Beschwerdeführerin hätte behauptet, eine fehlende Erkennbarkeit würde stets eine Verletzung des §30 Abs1 AMD-G ausschließen […]. Das ist eine an Ignoranz reichende Verkürzung. Tatsächlich wurde nur dargetan, dass die subjektiv-rechtliche Seite der Menschenwürde stets Erkennbarkeit voraussetzt. Das schließt nicht aus, dass trotz mangelnder Erkennbarkeit aus anderen Wertungssträngen, denen der Schutz der Menschenwürde verpflichtet ist, eine Verletzung abgeleitet wird […].

Bevor aber hierauf eingegangen wird, ist noch auf den vom BVwG eingeworfenen Ansatz der zumindest nachträglich entstehenden Erkennbarkeit einzugehen. Denn diesem muss, und das auch in verfassungsrechtlicher Hinsicht, entschieden entgegengetreten sein. Das BVwG führt aus[:]

[…]

Dem kann nicht gefolgt werden:

- Medieninhaltliche Vorgaben können stets nur einer Bewertungsperspektive im Berichterstattungszeitpunkt unterzogen werden. Ob in einer ex post-Betrachtung uU durch zusätzliche Informationen eine Erkennbarkeit für ein ohnedies nur unmittelbar informiertes Umfeld geschaffen wird, lässt sich ex ante nicht antizipieren.

- Und selbst wenn man eine gewisse Verpflichtung von Medien, auch zukünftige Entwicklungen zu antizipieren, annehmen wollte, ist zu berücksichtigen, dass – anders als im von BVwG zitierten Fall der Veröffentlichung des Fotos eines Mordopfers – die Angehörigen usw in diesem Zeitpunkt ja nicht (mehr) mit der Berichterstattung konfrontiert sind. Schließlich sind die Live-Bilder bereits ausgestrahlt. Um das am Beispiel des am Schwedenplatz angeschossenen Polizisten deutlich zu machen: Das BVwG konstatiert, dass er in der ausgestrahlten Bildsequenz nicht erkennbar ist. Selbst wenn nun in den Tagen nach dem Einsatz die Familie oder Freunde erfahren haben, dass er die Person war, die in der Bildsequenz zu sehen ist, war die Berichterstattung längst beendet und daher eine unmittelbare Konfrontation mit den den Vorgang zeigenden Bildern nicht mehr möglich. Es wird daher kein Trauma dadurch vergrößert, dass das Leid neuerlich in einem Medium betrachtet wird. Das muss jedenfalls in der letztlich anzustellenden Interessenabwägung beachtet werden.

[…] Menschenwürde der Rezipienten

Wie eingangs schon angesprochen ist im hier relevanten Kontext noch eine zweite Beziehungsebene (Grundrechte und Menschenwürde des Rezipienten) zu beachten. Die Beschwerdeführerin hat hierzu stets eingeräumt, dass es in dieser nicht zwingend auf die Erkennbarkeit ankommt. Insofern spielt diese Beziehungsebene gerade hier eine Rolle, weil – wie das BVwG selbst einräumt, unter Anlegung der in der Rsp anerkannten Anknüpfungspunkte – die Betroffenheit/Erkennbarkeit (nahezu) sämtlicher Personen, die in den hier noch gegenständlichen Berichtpassagen vorkommen, zu verneinen ist.

Zu dieser ist anerkannt, dass diesbezüglich nicht bloß Missachtungen der individualrechtlichen Sphäre des Rezipienten einschlägig sind […], sondern die (ungewollte) Konfrontation mit menschenverachtenden Sendungen den Hauptanwendungsfall bilden […]. Hier ist an gewaltverherrlichende Inhalte […], eine Verletzung der Religionsfreiheit […] usw zu denken. Von diesem Ansatz ausgehend liegt es in der Tat nahe, dass es in diesem Beurteilungskontext nicht zwingend darauf ankommt, dass das Berichtssubjekt (zB jene Person, die in der Sendung stirbt oder leidet bzw von der der Eingriff in die freie religiöse Entfaltung ausgeht) erkennbar ist, da es auf deren Schutz nicht (mehr) ankommt.

Allerdings verändert dieser zweite Schutzbereich auch die relevanten Beurteilungsparameter. […]

Bevor hierauf mit Bezug auf die konkrete Berichterstattung eingegangen wird, ist noch zu klären, wie allfällige Berichtsinteressen in Ansatz zu bringen sind.

[…] Berichtsinteressen

[…]

Nach der Rsp des VfGH sind bei der Auslegung der hier in Rede stehenden Bestimmungen nicht nur die durch sie positiv geschützten Grundrechte bzw Rechtssphären zu beachten. Denn durch diese Bestimmungen wird – auf einfachgesetzlicher Ebene – gleichsam eine Drittwirkung der Grundrechte mit Bezug auf alle Sendungen statuiert und die Achtung der Menschenwürde postuliert […]. Dies kann allerdings auch zu einer Begrenzung der Freiheit der Meinungsäußerung bei der medialen Berichterstattung führen […]. Daher sind auch im gegebenen Zusammenhang die Vorgaben des Art10 Abs2 EMRK zu beachten […].

Anerkannt ist daher, dass eine Verletzung der gesetzlichen Vorgaben nicht schon dann gegeben ist, wenn mit den inkriminierten Darstellungen die Menschenwürde tangiert wird. Ist dies der Fall, muss in einer Gesamtbewertung, welche auch die Berichtsinteressen und damit die Meinungsäußerungs- und Medienfreiheit berücksichtigt, beurteilt werden, ob eine Verletzung der Menschenwürde und damit eine Verletzung von §30 Abs1 AMD-G vorliegt. Diese Notwendigkeit, auch für die Berichterstattung sprechende Gründe in die Betrachtung einzubeziehen, folgt auch aus ErwGr 60 AVMD-RL, nach dem etwaige Maßnahmen zum Schutz der körperlichen, geistigen und sittlichen Entwicklung Minderjähriger und zur Wahrung der Menschenwürde sorgfältig gegen das in der Charta der Grundrechte der Europäischen Union verankerte Grundrecht auf Meinungsfreiheit abgewogen werden sollen.

[…]

Für die im konkreten Zusammenhang zu beurteilenden Sendungspassagen scheint in Österreich keine konkretisierende Spruchpraxis zu bestehen. Es lässt sich allerdings nicht leugnen, dass Tod, Gewalt, Krieg, Leid usw zur Lebensrealität zählen. Dem kann und darf sich die mediale Berichterstattung nicht verschließen bzw darf ihr diese Möglichkeit schon aus verfassungsrechtlichen Gründen nicht verwehrt werden. Treffend führt Erdemir aus, dass trotz der zentralen Stellung der Menschenwürde und der Grundrechte im Sinne einer wahrhaftigen Unterrichtung der Öffentlichkeit gerade auch über menschliche Tragödien und Verbrechen an der Menschlichkeit diese nicht nur zu benennen, sondern auch zu belegen sind […].

Dass selbst das Zeigen des Sterbens einer Person oder ihres körperlichen oder seelischen Leides unter bestimmten Voraussetzungen zulässig ist, zeigt die – deutlich konkretere – Norm des §4 Abs1 Nr 8 JMStV. Nach §1 JMStV liegt der Zweck dieses Staatsvertrages – neben dem Schutz von Kindern und Jugendlichen vor entwicklungs- oder erziehungsgefährdenden Angeboten – im Schutz vor solchen Angeboten in elektronischen Informations- und Kommunikationsmedien, die die Menschenwürde oder sonstige durch das Strafgesetzbuch geschützte Rechtsgüter verletzen. Konkretisierend hierzu werden von §4 JMStV bestimmte Angebote als absolut unzulässig normiert. […]

Entsprechend der oben angesprochenen Rechtslage in Österreich indiziert auch diese Formulierung einen Abwägungsvorgang zwischen den Interessen […] der Betroffenen […] einerseits und der Berichterstattungs- und Informationsfreiheit andererseits. Ein überwiegendes berechtigtes Interesse an einer bestimmten Form der Darstellung wird insbesondere dann bejaht, wenn Geschehnisse im Hinblick auf deren Hintergründe und menschliche Auswirkungen dem Zuschauer verdeutlicht und gegebenenfalls auch drastisch vor Augen geführt werden und hierdurch der Bagatellisierung menschlichen Leids vorgebeugt wird […]. Ein dem Vorwurf der Menschenwürdeverletzung wirksam entgegentretendes Berichterstattungsinteresse bzw Informationsbedürfnis der Öffentlichkeit liegt daher unter anderem dann vor, wenn die (drastische) Darstellung zur Verständlichmachung der menschlichen Dimension des Ereignisses unverzichtbar erscheint […].

[…]

Gerade in jüngerer Zeit sind es zunehmend auch Bilder und Reportagen über Kriege und Terroranschläge – dabei vor allem über Opfer in der (Zivil-)Bevölkerung –, die an der Regelung des §4 Abs1 Nr 8 JMStV gemessen werden. Es scheint daher zur Verdeutlichung der relevanten Abwägungsgesichtspunkte hilfreich, einen Blick auf die einschlägige deutsche Spruchpraxis zu werfen. Exemplarisch sind folgende Fälle zu nennen:

- Zur identifizierenden Berichterstattung der Bild-Zeitung über den Tod des syrischen Flüchtlingsjungen *** (der 3 jährige Junge starb ebenso wie 12 weitere Flüchtlinge beim Versuch, mit seiner Familie von der türkischen Küste über die Ägäis nach Griechenland zu flüchten) wird davon ausgegangen, dass es sich zwar um einen Grenzfall gehandelt hat, der aber noch zulässig war. Die Bild-Zeitung hat dem Foto die gesamte letzte Seite gewidmet und dieses mit dem Appell verbunden, angesichts des Leids der Flüchtlinge im Mittelmeer nicht mehr wegzuschauen. Die Zulässigkeit wird deshalb bejaht, weil das Foto das Potential hat, zum Symbol für das Versagen der internationalen Flüchtlingspolitik zu werden, und es dem Elend ein Gesicht gibt […].

- Die Kommission für Jugendmedienschutz (kurz KJM) hat bei einem Bericht auf Bild.de über Bombenangriffe in Syrien einen Verstoß gegen die Menschenwürde bejaht. In diesem wurden die Folgen von Bombenangriffen des syrischen Präsidenten al-Assad auf die Zivilbevölkerung thematisiert. Teil des Berichts waren verschiedene Fotografien von schwer verletzten und toten Babys und Kleinkindern, wobei die Gesichter unverfremdet in Nahaufnahme zu sehen waren (der Effekt wurde durch die Möglichkeit zur großformatigen Darstellung durch Anklicken verstärkt). Die KJM ist davon ausgegangen, dass die Opfer durch die Art der Darstellung zu Objekten der Schaulust degradiert wurden. Diese Bewertung ist angesichts des Berichtskontextes zwar verfehlt […]. Jedenfalls lässt sich aber mit der KJM zu Recht in Zweifel ziehen, ob es zur Verdeutlichung der menschlichen Dimension der Ereignisse erforderlich war, die schmerzverzerrten Gesichter der körperlich leidenden oder bereits toten Babys und Kinder unverfremdet in Nahaufnahme zu zeigen […].

- Auf bild.de wurde über die Terroranschläge in Paris (13.11.2015), bei denen weit über 100 Menschen ums Leben gekommen sind, berichtet. Ein Artikel hat die Geschehnisse im Konzertsaal 'Bataclan' beschrieben. Beigegeben war diesem ein Foto, auf dem der Innenraum der Konzerthalle zu sehen war. Auf dem blutverschmierten Boden waren mehrere leblose Körper in deutlich sichtbaren Blutlachen zu sehen. Nach Ansicht der KJM ist hiermit die 'Subjektqualität' der abgebildeten toten Menschen nicht missachtet worden. Denn die Leichen nähmen nur einen geringen Teil an der Gesamtfläche der Abbildung ein. Gesichter seien nicht zu erkennen und es würden keine Verletzungen in den Fokus gerückt. Zudem liege ein berechtigtes Interesse für die Form der Darstellung und Berichterstattung vor, da das Foto die Dramatik der Ereignisse sowie ihre schrecklichen Folgen veranschauliche und Bilddokumente die Authentizität der Berichterstattung erhöhten. Demzufolge wurde ein Verstoß gegen die Menschenwürde im Ergebnis verneint […].

[…]

Im Ergebnis lässt sich folgendes Fazit ziehen: Bei einer Abwägung mit den Berichtsinteressen ist die Grenze des Zulässigen dann überschritten, wenn in Interessen des erkennbaren Betroffenen massiv eingegriffen wird und offensichtlich nur ein voyeuristisches Unterhaltungsinteresse des Betrachters befriedigt werden soll. Wenn demgegenüber der zeithistorische Kontext entsprechend stark ausgeprägt ist, dann sind selbst drastische Darstellungen zulässig. Auch hier sind allerdings letzte Grenzen der Sichtbarmachung von Gewalt zu beachten, die den Kern der Menschenwürde tangieren. Dies wird insbesondere bei detaillierten Darstellungen von Hinrichtungen angenommen […].

[…] Zu den konkreten Berichtsinteressen

BVwG und KommAustria scheinen davon auszugehen, dass im gegenständlichen Zusammenhang kein besonders hoch zu wertendes Berichtsinteresse besteht […]. Der Anschlag sei daher von der Berichterstattung über die Flüchtlingskrise, in welcher zT auch ein totes Kind im Bild zu sehen war, ebenso zu unterscheiden wie jener auf den Pariser Konzertsaal Bataclan, bei dem rund 90 Personen ums Leben kamen […]. Diese Ansicht ist aus mehreren Gründen strikt abzulehnen:

Zunächst ist es unzutreffend, dass derartige Ereignisse in Europa an der Tagesordnung sind. […]

Doch selbst andernfalls wäre für das konkrete Ereignis zu berücksichtigen, dass Österreich bis zum 02.11.2020 in diesem Kontext als mehr oder minder sicher gegolten hat, hat doch der letzte halbwegs vergleichbare Terroranschlag im Dezember 1985 (Flughafen Wien) stattgefunden. Es kann wohl nicht strittig sein, dass das Berichtsinteresse auch vom sozialen Umfeld, in dem sich ein Vorfall ereignet, abhängig ist. Es wäre daher verfehlt, eine Häufung von Terroranschlägen in anderen Ländern als Grundlage dafür zu machen, das Berichtsinteresse geringer zu werten, wenn sich erstmals seit Jahrzehnten ein solcher Vorfall in Österreich ereignet.

Zudem ist es aus Sicht der Beschwerdeführerin schon vom Ansatz her nicht zielführend, das Berichtsinteresse am Ausmaß des menschlichen Leids festzumachen. Maßgeblich muss vielmehr in objektiver Würdigung sein, in welcher Intensität das friedliche Zusammenleben und die Sozialordnung bedroht sind. Daher geht es keinesfalls an, die Geschehnisse vom 02.11.2020 auch nur in irgendeiner Weise zu relativieren. Schließlich war im Zeitpunkt der Berichterstattung von einem Terroranschlag durch möglicherweise mehrere Personen im Zentrum der Österreichischen Bundeshauptstadt die Rede. Dies noch dazu in einer Situation, wo – weil am Vorabend eines neuen Lockdowns – sehr viele Menschen in der Wiener Innenstadt unterwegs waren.

Dieser Ansatz ist auch deshalb geboten, weil die Ansicht der Aufsichtsbehörden an der Medienrealität vorbeigeht: In Rede steht eine Live-Berichterstattung. Die mit der Berichterstattung betrauten Journalisten mussten die Situation unmittelbar beurteilen und hatten keine Möglichkeit, ex post zu beurteilen, ob am 03.11.2020 auf ein Ereignis zurückgeblickt werden muss, das die Dimension der zweifellos besonders verheerenden Folgen des Pariser Anschlages erreicht oder sogar darüber hinausgeht. Dem muss auch die rechtliche Bewertung folgen, dh es kann nur eine ex ante-Sicht relevant sein. Bei einer solchen bleibt, dass es sich am Abend des 02.11.2020 um eine für die österreichische Zivilbevölkerung seit Jahrzehnten nicht mehr gegebene Bedrohungssituation gehandelt hat. […]

Damit kann an dieser Stelle kein anderes Fazit bestehen, als dass in der damaligen Situation ein besonders ausgeprägtes Berichtsinteresse bestanden hat. Dies insbesondere auch deshalb, weil in zahllosen sozialen Netzwerken usw Videos, Berichte oder Behauptungen kursierten und sich die Medien gerade in einer solchen Situation ihrer ureigenen Aufgabe nicht entziehen können.

[…] Bewertung der einzelnen Situationen in Abwägung zwischen Menschenwürde und Berichtsinteresse

[…] Zu Spruchpunkt 1 .a litii: Angeschossener Polizist

Die Beschwerdeführerin hält an ihrer Ansicht fest, dass die konkrete Gestaltung einer wahrheitsgetreuen und journalistisch korrekten Abbildung des Geschehens in der Terror-Nacht und einer angemessenen, zugleich warnenden Berichterstattung über die Ereignisse in Wien entspricht. Das gilt auch dann, wenn man trotz fehlender Erkennbarkeit von einer gewissen Beeinträchtigung der Menschenwürde des angeschossenen Beamten ausgeht. Hörbare Schusswechsel sind intrinsische Bestandteile einer nachrichtlichen Berichterstattung über ein Terror-Ereignis. Aus Obigem folgt die journalistische Verpflichtung, die Bevölkerung darüber rasch und umfassend zu informieren, dabei aber zugleich auch eine ernstzunehmende Warnung vor der Gefahrenlage zu illustrieren. Das ist weltweit nachrichtlicher Standard.

Wenn von den Aufsichtsbehörden hiergegen ins Treffen geführt wird, der Polizist ginge spektakulär zu Boden, wodurch Wehrlosigkeit und Überraschungsmoment besonders unterstrichen würden, kann das kein Ansatz sein. Wie oben dargelegt haben die Medien nicht nur Berichts-, sondern auch Belegfunktion. Das visuelle Ausblenden von Bedrohung und ihren Folgen erfüllt diesen Auftrag nicht. Und es kann wohl nicht ernstlich behauptet werden, eine Bildberichterstattung wäre zulässig, wenn ein Opfer sofort ohnmächtig zusammenbricht, während sie nicht zulässig ist, wenn das Opfer aufgrund der Schüsse mehrere Schritte zurücktaumelt und dann auf die Knie zusammensinkt. Tatsächlich werden in ihrer Darstellung deutlich drastischere Videos bei Terroranschlägen weltweit immer ausgestrahlt […]. Die gezeigte Szene entspricht damit nach Ansicht der Beschwerdeführerin dem Anspruch einer international üblichen Dokumentation eines Terror-Ereignisses. Demgemäß verfängt es – vor dem Hintergrund der oben zitierten Rechtsprechung des EGMR Schweizerische Radio- und Fernsehgesellschaft SRG/Schweiz insbesondere auch in verfassungsrechtlicher Perspektive – nicht, wenn ausgeführt wird, es hätte über die Ereignisse auch anders – nämlich ohne das Video – berichtet werden können. Das ist schon vom Ansatz her anzuzweifeln, zumal Fernsehen nun einmal ein audio-visuelles Medium ist und Berichte eben durch eine solche Wahrnehmungsform erfolgen. Dessen ungeachtet erschöpft sich aber die Aufgabe der Medien nicht im Bericht, sondern erfasst auch den Beleg. Letztlich würden aber sämtliche Elemente, die das Bedrohungspotential und die Dramatik der damaligen Ereignisse dokumentieren und belegen, vollständig aus der Berichterstattung entfernt, wenn die von den litii, iv und v des Spruchpunktes 1.a erfassten Sequenzen nicht gezeigt werden dürften.

Dies gilt im Übrigen auch für den Ton (dh die Reaktion jener Personen, die das Video aufgenommen haben). Dieser bringt die Verunsicherung und Bedrohung für den Seher verständlich zum Ausdruck und ist daher Bestandteil der gerade angesprochenen Aufgabe.

[…]

[…] Spruchpunkt 1 .a litiv: Verletzte / Verletzungen

Unter Verweis auf die obigen Ausführungen ist hierzu ergänzend festzuhalten, dass das Ereignis in Wien in seiner Gesamtdimension zweifelsohne als historisch zu betrachten ist. Ein Attentäter läuft mordend durch Wien und attackiert Passanten sowie Exekutivbeamte. Die Darstellung von Verletzungen, so die Betroffenen in den Szenen unkenntlich gemacht sind, ist demnach ohne Zweifel unabdingbarer Bestandteil der Berichterstattung. Diesbezüglich ist auf – zT deutlich konkretere – Szenen von zT schwereren Verletzungen (ua auch von Kindern) zu verweisen, die beispielsweise in der Berichterstattung von Kriegsereignissen in Syrien oder zuletzt der Ukraine, bei der Katastrophe von Beirut und ähnlichen Vorfällen weltweit (auch in Österreich) üblich und die Wahrnehmung der eingangs geschilderten und verfassungsrechtlich verbürgten Informationsfunktion der Medien (in den dargelegten Grenzen) auch unerlässlich sind. Eine Differenzierung der maßgeblichen Gestaltungsgrenzen je nachdem, wo sich der zu berichtende Vorfall ereignet, ist keinesfalls begründbar. Denn die Menschenwürde ist immer gleich hoch anzusetzen, gleich ob sich das Berichtsgeschehen in Kabul, im Gaza-Streifen, in Paris oder eben in Wien ereignet! Setzt sich der von BVwG und KommAustria eingenommene Beurteilungsansatz durch, wird mit einem Schlag ein großer Teil der Kriegs-, Terror-, Krisen- und Katastrophenberichterstattung unzulässig. Daran kann auch die hiergegen eingewandte Kontextrelevanz nichts ändern. Es gibt wohl kein Unfall-, Anschlags- oder Übergriffsopfer, das keine physischen Schmerzen verspürt und/oder sich nicht in einer hilfsbedürftigen Situation befindet. Machte man dies zum tragenden Beurteilungsansatz tritt genau jene Konsequenz (weitgehende Unzulässigkeit der Berichte) ein. Das wäre – auch aus den eingangs dargestellten verfassungsrechtlichen Gründen – keinesfalls zu rechtfertigen.

Gleiches gilt für das hinsichtlich dieser Berichtspassage bemühte Argument, es würde in die Intimsphäre der Personen eingegriffen. Das kann für sich bzw alleine nicht den Ausschlag geben, weil andernfalls ein völliges Verbot der Bildberichterstattung über Anschläge oder Unfälle unter Einbeziehung der Opfer eintreten würde. Schließlich zählen die körperlichen (zB Gesundheitszustand, Krankenbehandlungen) und geistigen Befindlichkeiten zum Kernbereich der Intimsphäre des Menschen und damit zum höchstpersönlichen Lebensbereich […]. Dieser ist daher von der hier relevanten Berichterstattung stets betroffen. Vielmehr kann nur die Intensität eines Eingriffs in den höchstpersönlichen Lebensbereich ein Kriterium sein, das in die Interessenabwägung einfließt. Dies beachtend ist bei einem Ausgleich der betroffenen Grundrechtspositionen die konkrete Berichterstattung zulässig und greift daher deren Verbot in die Rundfunkfreiheit ein.

[…] Spruchpunkt 1 .a litv: Toter Attentäter

Diesbezüglich kann auf das bereits Gesagte verwiesen werden. Der Attentäter ist nicht erkennbar. Es kommt mit der konkreten Bildsequenz auch zu keiner besonderen Bloßstellung oder Missachtung der Rechtssphäre der Angehörigen auch zu keiner sonstigen Verletzung der Menschenwürde. Hinsichtlich der Abwägung der gegenüberstehenden Grundrechtspositionen ist zu ergänzen, dass die Szene mit dem mutmaßlich zu Tode gekommenen Attentäter nach Überzeugung der Beschwerdeführerin von großem öffentlichem Interesse und Belang ist. Sie ist nach einer Nacht des Schreckens der glaubwürdige Beleg für das Ende der akuten Bedrohung durch diesen Mann. Dies durch eine sehr undeutliche Aufnahme, die das Gesicht der Person nicht zeigt. […]

[…] Abschließend ist hinsichtlich der Abwägung der in Rede stehenden Grundrechtspositionen festzuhalten, dass das Ziel der Sondersendung bei A*** zum einen war, den Zusehern einen möglichst validen Überblick über das unübersichtliche aktuelle Geschehen zu liefern. Zudem sollte deutlich auf die bestehende Gefahrenlage nicht nur hingewiesen, sondern diese bewusst auch im Sinn einer Warnung illustriert werden. Und nicht zuletzt sollten dabei auch Tragik und Tragweite dieses beispiellosen Ereignisses in der Bundeshauptstadt eingeordnet und betont werden, gerade auch im europäischen bzw weltweiten Kontext der bestehenden und wachsenden Terrorbedrohung. Dass dabei in einzelnen Passagen uU die Wortwahl der Reporter und Moderatoren eine scheinbar unsensible Herangehensweise vermittelt, mag subjektiv betrachtet womöglich nicht optimal sein, ist aber bei einer Livesendung bis zu einem gewissen Grad nicht ausgeschlossen und angesichts der Einzigartigkeit der Ereignisse nachvollziehbar. In der anzustellenden Gesamtbewertung können diese Umstände nicht den Ausschlag geben.

Die Beschwerdeführerin räumt durchaus ein, dass die in Rede stehenden Passagen auch drastische Elemente beinhalten. Aus diesem Grund wurde hinsichtlich zweier Passagen, die von der KommAustria in Prüfung gezogen wurden, der erstinstanzliche Bescheid auch nicht bekämpft, wenngleich die Beschwerdeführerin diese strikte Beurteilung der KommAustria weiterhin kritisch sieht. In den von dieser Beschwerde erfassten Passagen sind dort, wo die Persönlichkeitssphäre am intensivsten betroffen wäre, die Personen nicht erkennbar bzw zumindest verpixelt (insb. Polizist und Attentäter und größtenteils auch Verletzte). Jene wenigen Personen, die im Bild erkennbar sind, sind in ihrer Persönlichkeitssphäre in einer Gesamtbewertung nicht so intensiv tangiert, dass in der Abwägung der betroffenen Rechtspositionen die Wahrung der Menschenwürde überwiegt.

[…]

Im Ergebnis ist daher festzuhalten, dass in Abwägung der gegenüberstehenden Grundrechtspositionen bei den hier noch verbliebenen Berichtspassagen insbesondere aufgrund der (weitgehend) fehlenden Erkennbarkeit der Personen und der Art der Darstellung die Verletzung der Menschenwürde in Relation zur Relevanz der auch belegenden, warnenden und bewusstseinsschärfenden Berichterstattung über ein derart dramatisches Ereignis wie den Terroranschlag in der Wiener Bundeshauptstadt nicht überwiegt, dh der vom angefochtenen Erkenntnis ausgehende Eingriff in die Rundfunkfreiheit in einer demokratischen Gesellschaft nicht im Interesse einer mit Art10 Abs1 Satz 3 EMRK und ArtI Abs2 BVG-Rundfunk verbundenen Zielsetzung notwendig ist.

Das Bundesverwaltungsgericht hat daher die verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechte der Beschwerdeführerin auf Meinungsäußerungs- und Rundfunkfreiheit dadurch verletzt, dass das Zeigen der in Rede stehenden Berichtspassagen im Programm von A*** für rechtswidrig und damit unzulässig erklärt wird.

[…]

Mit Spruchpunkt […] hat die KommAustria ausgesprochen, dass die Beschwerdeführerin bei der Berichterstattung am 02.1[1].2020 entgegen der Aufrufe der Exekutive wiederholt Bilder und Videos von Ereignissen der Tatnacht ausgestrahlt wurden, womit den anerkannten journalistischen Grundsätzen nicht entsprochen und Nachrichten vor ihrer Verbreitung nicht mit der nach den Umständen gebotenen Sorgfalt auf Wahrheit und Herkunft geprüft wurden (§41 Abs5 AMD-G). Bezogen auf die in Rede stehenden Berichtspassagen verletzt auch dieser Ausspruch die der Beschwerdeführerin durch Art10 EMRK gewährten Rechte:

- Zum Eingriff in Art10 EMRK gilt das oben Gesagte hier ebenso.

- Das am genannten Tag durch das in Rede stehende Ereignis ausgelöste Berichtsinteresse wurde oben bereits dargelegt. Hierauf sei verwiesen. Bezogen auf die für die Auslegung des §41 Abs4 AMD-G herangezogenen „Gegeninteressen“ geht es den Aufsichtsbehörden offenkundig um das – wiederum vom Grundsatz her nicht strittige – Interesse an öffentlicher Ordnung und Sicherheit, dh das Interesse an der Strafverfolgung und dem Schutz der Bevölkerung vor den Terroristen. Dass es sich auch hierbei um ein legitimes Interesse handelt, wird von der Beschwerdeführerin nicht angezweifelt.

- Offen bleibt auch hier, ob die gebotene Abwägung der widerstreitenden Interessen verfassungskonform vorgenommen wurde. Das ist indes nicht der Fall.

[…]

[…] Nicht näher geprüfte bzw kontextualisierte Bilder und Videos

In einem ersten Schritt wird von den Aufsichtsbehörden vorgehalten, dass die Berichterstattung in der Sondersendung 'mit offenkundig nicht näher geprüften, jedenfalls nicht weiter kontextualisierten Bildern und Videos von Ereignissen der Tatnacht untermalt' wurde und nähere Angaben zur Herkunft der Videos nicht gemacht bzw die Zusehenden nicht auf die nicht näher bestimmbare Herkunft hingewiesen wurden […].

Das findet allerdings in den Feststellungen keine Grundlage. Denn nach diesen wurde schon am Beginn der Sondersendung gesagt, dass die 'Lage ungewiss ist' und dass die Informationen über die Opfer nicht bestätigt sind […]. Im Zusammenhang mit dem Video, das von oben gefilmt den Attentäter durch eine Gasse laufend zeigt, wird informiert, dass es sich um ein Augenzeugenvideo handelt […]. Zu jenem Video, das die Geschehnisse vor dem '***' wiedergibt, sagt der Moderator: 'Natürlich, meine Damen und Herren, ist das alles ungefiltert. Das sind erste Eindrücke. Es gibt auch keine bestätigten Quellen sozusagen. Wann ist das aufgenommen worden, was genau ist zu sehen' […]. Auch in weiterer Folge wird mehrfach die unsichere Quellenlage und die Unübersichtlichkeit der Situation angesprochen (zB 'Ob es dieselbe Person ist, die wir vorhin gesehen haben in dem Augenzeugenvideo, ist nicht bestätigt' […]; 'Weil die Lage sehr, sehr unübersichtlich ist und wir zur Stunde nicht sagen können, wie viele Täter wie schwer bewaffnet noch unterwegs sind' […]; '… und es gibt sehr viele Opfer, sagt die Wiener Berufsrettung, mehrere Tote und Schwerverletzte. Über die genaue Zahl können wir auch noch keine bestätigten Informationen Ihnen geben' […]; 'Wie gesagt, das sind Augenzeugenvideos aber es ist bestätigt, dass sie von heute Abend sind und diese Szenen zeigen, schauen Sie bitte' […]).

Daher ist jedenfalls der Vorhalt unzutreffend, es sei nicht auf die ungewisse Quellenlage hingewiesen und kein Gesamtkontext hergestellt worden. Vielmehr ergibt sich für den Seher ganz deutlich, dass am Abend des 02.11.2020 in der Wiener Innenstadt ein Terroranschlag verübt wurde, bei welchem zahlreiche Personen schwer verletzt und möglicherweise sogar getötet wurden, ein Großeinsatz der Polizei läuft, die Situation sehr unübersichtlich ist und Augenzeugenvideos kursieren. Es lässt sich daher in verfassungsrechtlicher Perspektive jedenfalls der Umstand, die Berichtsinhalte wären nicht kontextualisiert bzw es wäre auf deren Ungewissheit nicht deutlich hingewiesen worden, nicht einstellen.

[…] Unrichtiger Eindruck

Weiters wurde begründet, durch die wiederholte Untermalung der Berichterstattung sei der Eindruck erweckt worden, dass der Schusswechsel noch im Gange sei, wohingegen der Täter bereits um 20:09 Uhr erschossen wurde […]. Auch das verfängt nicht.

Tatsächlich wurde mehrfach darauf hingewiesen, dass es sich bei den Videos um Augenzeugenvideos handelt […]. Schon daraus wird klar, dass diese Quellen nicht live sind und die Geschehnisse schon einige Zeit zurückliegen. Zudem wird in der Berichterstattung (22:09:53) auch darauf hingewiesen, dass offenbar zumindest ein Täter dingfest gemacht werden konnte. Mit keinem Wort ist in der Berichterstattung ausgesagt worden, dass der Schusswechsel noch im Gang ist. Dass aber der Anschlag um 20:09 Uhr mit dem Tod des (offenbar) Alleintäters beendet war, weiß man heute. Zum Zeitpunkt der Berichterstattung war das allerdings völlig offen, was auch das Zitat von Innenminister *** in der APA-Aussendung […] zeigt: 'Es handle sich um eine Terrorattacke, die noch im Gange sei'. Die APA-Aussendung erfolgte um 22:05!

Es kann den Medien aber nicht zum Nachteil gereichen, nicht zu wissen, was auch die Sicherheitsbehörden nicht wissen. Es wäre geradezu fahrlässig gewesen, zu behaupten, mit der Tötung des (wie man jetzt weiß) einzigen aktiven Attentäters sei die Bedrohung beendet, obwohl noch mehrere Stunden die Befürchtung bestand, dass mehrere Attentäter aktiv waren.

In verfassungsrechtlicher Perspektive gilt daher auch insoweit, dass die Rechtsposition der öffentlichen Ordnung und Sicherheit den Eingriff in die Rundfunkfreiheit nicht zu rechtfertigen vermag. Denn solange die Bedrohung aus Sicht der Behörden noch im Gange ist bzw zumindest eine Gefährdung in diese Richtung besteht, kann man den Medien schwer vorhalten, keine Entwarnung gegeben zu haben.

[…] Zeigen entgegen behördlicher Aufforderung

Zuletzt wird zum hier in Rede stehenden Beschwerdepunkt ausgeführt, das RBMH hätte sich den mehrfachen behördlichen Aufforderungen widersetzt. Auch das hat keine Grundlage in den Feststellungen. Denn nach diesen haben die Sicherheitsbehörden die Öffentlichkeit aufgefordert, keine Videos zu teilen […] bzw solche nicht in sozialen Medien zu posten […], nicht in sozialen Medien zu verbreiten […] bzw nicht in sozialen Medien zu veröffentlichen […], sondern auf den Twitter-Kanal der Polizei zu laden.

Es gibt daher keine Aussendung der Sicherheitsbehörden wonach institutionalisierte Medien im Rahmen ihrer Berichterstattung kein Bildmaterial zu den Vorfällen zeigen sollen. Dieses Dilemma sehen BVwG und KommAustria offenbar selbst, meinen aber, die genannten Aufforderungen könnten nur dahin verstanden werden, dass auch Fernsehprogramme gemeint sind. Dafür gibt es allerdings keine Grundlage. Während sich nämlich Videos in sozialen Medien massenhaft, unkontrolliert bzw unkommentiert verbreiten und häufig 'aufbauschen', kann durch eine entsprechende Berichterstattung in den Medien in Verbindung mit einer Moderation ein korrekter Kontext hergestellt werden, wie dies – wie oben gezeigt – in concreto ja auch geschehen ist. Das war gerade auch am Abend des 02.11.2020 der Fall, da die auszugsweise auf A*** gezeigten Videos notorisch bereits massenhaft in den sozialen Netzwerken kursierten, bevor die Medien die Berichterstattung überhaupt aufgenommen haben. Nach Ansicht der Beschwerdeführerin gibt es in einer solchen Situation für die elektronischen Medien überhaupt keine andere Alternative als zumindest Teile dieser Videos selbst in die Berichterstattung einzubeziehen und eine breite Öffentlichkeit, die sich in den Medien zu informieren und orientieren versucht, aufzunehmen und die Situation in den richtigen Kontext zu setzen. Jede andere journalistische Aufbereitung würde die Bevölkerung geradezu zurück in die sozialen Netzwerke treiben. Es wäre weltfremd anzunehmen, dass ein Medienkonsument in einer Situation, wie sie am 2.11.2020 war, wieder zum normalen Programm zurückkehrt, wenn er feststellt, dass ihn sein Medium nicht informiert. Schließlich wusste schon nach kurzer Zeit die gesamte Bevölkerung, dass in der Wiener Innenstadt Schlimmes vorgefallen und noch im Gange ist. Das nicht auch durch Bilder zu dokumentieren, die tausendfach schon in diversen Kanälen kursieren, würde für die Medien ein Berichtsverbot bedeuten und sie der Erfüllung ihrer Aufgabe berauben.

Dem wurde entgegengehalten, dass Polizeieinsätze gezeigt wurden, die aufgrund der Bilder leicht lokalisiert werden konnten. Das ist allerdings logisch nicht nachvollziehbar. Schließlich hat schon

die KommAustria auf die Aussagen des Innenministers verwiesen, wonach es in Wien keine regionale Eingrenzung der Gefahr gebe […]. Welche Details in einer solchen Situation preisgegeben werden, wenn eine Momentaufnahme am Hohen Markt oder ein Einsatz am Schwedenplatz gezeigt wird, erschließt sich kaum. Schließlich bedingt die mangelnde Eingrenzbarkeit, dass die Sicherheitsbehörden an zahlreichen Orten (und nicht nur am Hohen Markt und/oder am Schwedenplatz) aktiv sind. Der Seher hat daher durch die Bilder nicht mehr erfahren, als dass ein Großeinsatz in den Wiener Innenbezirken im Gange ist. Das war aber aus zahlreichen Quellen – sogar den Verkehrsnachrichten – ohnedies bekannt.

Demgemäß ist auch die von der KommAustria bemühte Entscheidung der CSA keineswegs als vergleichbar. Dieser lag zu Grunde, dass der konkrete Ort (Supermarkt 'Hyper Catcher') einer Geiselnahme, die im Rahmen des Attentats auf die Redaktion von 'Charlie Hebdo' stattfand, im Radio genannt wurde. Eine derartige exakte lokale Eingrenzung hat die Berichterstattung der Beschwerdeführerin nicht zugelassen. Vielmehr hat der Seher nicht mehr erfahren, als ohnedies schon bekannt war, nämlich dass in der Wiener Innenstadt ein Terroranschlag im Gange ist."

5. Das Bundesverwaltungsgericht hat die Gerichts- und Verwaltungsakten vorgelegt und – wie auch die KommAustria – von der Erstattung einer Gegenschrift abgesehen.

römisch II. Rechtslage

Die maßgeblichen Bestimmungen des Bundesgesetzes über audiovisuelle Mediendienste (Audiovisuelle Mediendienste-Gesetz – AMD-G), Bundesgesetzblatt Teil eins, 84 aus 2001,, in der Fassung Bundesgesetzblatt Teil eins, 83 aus 2023, lauten auszugsweise wie folgt:

"Allgemeine Anforderungen an audiovisuelle Mediendienste

§30. (1) Audiovisuelle Mediendienste müssen im Hinblick auf ihre Aufmachung und ihren Inhalt die Menschenwürde und die Grundrechte anderer achten.

(2) […]

[…]

Besondere Anforderungen an Fernsehprogramme und -sendungen

Programmgrundsätze

§41. (1) […]

(5) Berichterstattung und Informationssendungen haben in allen Fernsehprogrammen den anerkannten journalistischen Grundsätzen zu entsprechen. Nachrichten sind vor ihrer Verbreitung mit der nach den Umständen gebotenen Sorgfalt auf Wahrheit und Herkunft zu prüfen.

[…]

Feststellung der Rechtsverletzung

§62. (1) Die Entscheidung der Regulierungsbehörde besteht in der Feststellung, ob und durch welchen Sachverhalt eine Bestimmung dieses Bundesgesetzes verletzt worden ist. Wird von der Regulierungsbehörde eine Verletzung dieses Bundesgesetzes festgestellt, die im Zeitpunkt der Feststellung noch andauert, so hat der Mediendiensteanbieter unverzüglich einen der Rechtsansicht der Regulierungsbehörde entsprechenden Zustand herzustellen.

(2) […]

(4) Die Regulierungsbehörde hat in ihren Bescheid im Falle der Feststellung einer Rechtsverletzung einen Ausspruch aufzunehmen, ob es sich um eine schwerwiegende Verletzung einer Bestimmung dieses Bundesgesetzes handelt."

römisch III. Erwägungen

Die Beschwerde ist zulässig und auch begründet:

1.1. Nach Art10 Abs1 EMRK hat jedermann Anspruch auf freie Meinungsäußerung. Das Grundrecht auf freie Meinungsäußerung schützt dabei insbesondere auch "Nachrichten" oder "Ideen", die provozieren, schockieren oder beunruhigen. Das ergibt sich aus den Erfordernissen des Pluralismus, der Toleranz und der Großzügigkeit, ohne die eine demokratische Gesellschaft nicht bestehen kann (EGMR 7.12.1976 [GK], 5493/72, Handyside; 23.5.1991 [GK], 11.662/85, Oberschlick; VfSlg 13.694/1994). Die Freiheit des öffentlichen Diskurses ist wesentlich für das Konzept einer demokratischen Gesellschaft (EGMR 8.7.1986 [GK], 9815/82, Lingens). Angesichts der besonderen Bedeutung und Funktion der Meinungsäußerungsfreiheit in einer demokratischen Gesellschaft muss die Notwendigkeit der Einschränkung der Freiheit der Meinungsäußerung – die Art10 Abs2 EMRK im Hinblick darauf, dass die Ausübung dieser Freiheit Pflichten und Verantwortung mit sich bringt, unter den dort genannten Voraussetzungen dem Gesetzgeber ermöglicht – im Einzelfall, insbesondere wenn es sich um einen Fall der politischen Rede handelt, außer Zweifel stehen vergleiche VfSlg 10.700/1985, 13.694/1994).

Die Freiheiten des Art10 Abs1 EMRK sind von besonderer Bedeutung für die Massenmedien. Obwohl auch sie die Grenzen nicht überschreiten dürfen, die Art10 Abs2 EMRK in einer demokratischen Gesellschaft zieht, ist es dennoch ihre Aufgabe, Informationen und Ideen über politische Fragen sowie über andere Fragen von öffentlichem Interesse zu verbreiten. Nicht nur haben sie die Aufgabe der Verbreitung solcher Informationen und Ideen, zugleich hat die Öffentlichkeit ein Recht, sie zu empfangen vergleiche sinngemäß EMGR, Lingens, Z41; EGMR 26.4.1979 [GK], 6538/74, Sunday Times, Z65; für elektronische Massenmedien etwa EGMR 23.9.1994 [GK], 15.890/89, Jersild, Z31, 22.4.2013 [GK], 48.876/08, Animal Defenders International, Z119).

1.2. Die Beschwerdeführerin ist als Veranstalterin des Rundfunkprogrammes "A***" Trägerin des Grundrechtes auf Meinungsäußerungs- und Rundfunkfreiheit gemäß Art10 EMRK. Die Bestätigung der Feststellung der KommAustria durch das Bundesverwaltungsgericht, dass die Beschwerdeführerin durch ihre Berichterstattung am Abend des 2. November 2020 §30 Abs1 und §41 Abs5 AMD-G verletzt habe, bildet einen Eingriff in ihre durch Art10 EMRK verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechte.

1.3. Das Bundesverwaltungsgericht begründet seine – den Bescheid der KommAustria bestätigende – Entscheidung mit §30 Abs1 und §41 Abs5 AMD-G. Angesichts der – auch von der Beschwerdeführerin nicht in Zweifel gezogenen – grundsätzlichen Unbedenklichkeit dieser vom Bundesverwaltungsgericht angewendeten Rechtsgrundlagen, die der Bedeutung und Verantwortung audiovisueller Mediendienste – das sind unter der redaktionellen Verantwortung eines Mediendiensteanbieters der Allgemeinheit über elektronische Kommunikationsnetze bereit gestellte Sendungen zur Information, Unterhaltung oder Bildung (§2 Z3 AMD-G) – für die Verbreitung von Nachrichten und Ideen in einer pluralistischen demokratischen Gesellschaft im Sinne des Art10 EMRK Rechnung tragen, bleibt im Folgenden zu prüfen, ob das Bundesverwaltungsgericht diese Bestimmungen deswegen denkunmöglich angewendet hat, weil es dem Gesetz fälschlich einen verfassungswidrigen, hier die Schranken des Art10 Abs2 EMRK missachtenden Inhalt unterstellt hat, indem es aus §30 Abs1 und §41 Abs5 AMD-G eine Beschränkung der Meinungsäußerungs- und Rundfunkfreiheit der Beschwerdeführerin ableitet, die in einer demokratischen Gesellschaft im Interesse der Zielsetzungen des Art10 EMRK nicht notwendig ist vergleiche VfSlg 20.548/2022, 20.581/2022; VfGH 5.10.2023, E1008/2023).

2. Zur Feststellung einer Verletzung von §30 Abs1 AMD-G durch das Bundesverwaltungsgericht:

2.1. Gemäß §30 Abs1 AMD-G müssen audiovisuelle Mediendienste im Hinblick auf ihre Aufmachung und ihren Inhalt die Menschenwürde und die Grundrechte anderer achten. Diese Regelung setzt die verfassungsrechtlich grundgelegte Verpflichtung zur Achtung von Menschenwürde und Grundrechten anderer in Bezug auf Mediendiensteanbieter um, indem sie diese bei ihrer Tätigkeit entsprechend in die Verantwortung nimmt. Ob konkrete Sendungsinhalte diesen Anforderungen gerecht werden, ist in Abwägung zwischen der Meinungsäußerungs- und Rundfunkfreiheit und den Zielsetzungen, um derentwillen diese Freiheiten in Art10 EMRK verfassungsrechtlich gewährleistet sind, mit der Menschenwürde und Persönlichkeitssphäre der von einer Berichterstattung Betroffenen, die ebenso grundrechtlich, im vorliegenden Zusammenhang insbesondere durch den Gleichheitsgrundsatz und Art8 EMRK gewährleistet sind, zu bestimmen.

Das Bundesverwaltungsgericht verkennt bei seiner Auslegung von §30 Abs1 AMD-G in dieser Hinsicht spezifisch verfassungsrechtliche Vorgaben:

2.2. Das Bundesverwaltungsgericht erachtet durch die Video- und Bildberichterstattung über den angeschossenen Polizisten, die im Zuge des Terroranschlages verletzten Personen und die Leiche des Attentäters zutreffend den Anwendungsbereich des §30 Abs1 AMD-G für eröffnet. Es verkennt aber die spezifische Bedeutung des Art10 EMRK, wenn es der Video- und Bildberichterstattung der Beschwerdeführerin vor allem das "Bedienen der Sensationslust" unterstellt und die Beschwerdeführerin gehalten sieht, in der konkreten Situation der Berichterstattung über einen Terroranschlag auf derartiges Bildmaterial zu verzichten und im Wesentlichen mit einer Wortberichterstattung das Auslangen zu finden.

Zunächst misst das Bundesverwaltungsgericht dem durch Art10 EMRK geschützten Informationsinteresse an der journalistisch gestalteten Berichterstattung in einem audiovisuellen Mediendienst über einen (auch noch andauernden) Terroranschlag zu wenig Bedeutung zu. Dass es sich bei einem Terroranschlag, wie er sich in Wien am Abend des 2. November 2020 ereignet hat, um ein Ereignis von besonderem öffentlichen Interesse handelt, anerkennt Art10 EMRK ebenso wie, dass diese journalistische Berichterstattung – umso mehr über einen laufenden Terroranschlag – eine besondere redaktionelle Verantwortung bei der Gestaltung dieser Berichterstattung mit sich bringt vergleiche EGMR 21.6.2012, 34.124/06, Schweizerische Radio- und Fernsehgesellschaft SRG, Z64 f.).

Zu dieser Verantwortung gehört es einerseits, dem Persönlichkeitsschutz der Opfer eines Terroranschlages wie dem öffentlichen Interesse an der Bewältigung der Situation durch die Einsatzkräfte, um die Sicherheit der Bevölkerung wiederherzustellen, bei der Berichterstattung Rechnung zu tragen. Dazu zählt auch, dass möglichst vermieden werden soll, dass durch die Berichterstattung den Zielen von Terroristen durch Verbreitung von Angst oder Fanatisierung der eigenen Anhänger Vorschub geleistet wird.

Das öffentliche Informationsinteresse an einem Terroranschlag umfasst aber andererseits auch die Aufgabe der Berichterstattung, der Öffentlichkeit die Grausamkeit und Sinnlosigkeit der Gewalt und das Leid, das unschuldigen und an Konflikten, die den Hintergrund eines Terroranschlages bilden, unbeteiligten Menschen angetan wird, vor Augen zu führen. Gerade der Bildberichterstattung kommt in diesem Zusammenhang eine besondere Bedeutung zu, weil Bilder wirkmächtig(er als Worte) in der Lage sind, das Leid von Menschen zu vermitteln und die Öffentlichkeit für dieses Leid zu sensibilisieren vergleiche EGMR, Jersild, Z31). Art10 EMRK schützt und anerkennt auch im Zusammenhang mit Terroranschlägen das Interesse, die Öffentlichkeit durch auch schockierende, verletzende und beunruhigende Bilder über die Auswirkungen menschenverachtender Gewalt aufzurütteln (EGMR, Handyside, Z49; 24.2.1997, 19.983/92, De Haes und Gijsels, Z48).

Die Wahrnehmung seiner Verantwortung sowohl gegenüber den durch §30 Abs1 AMD-G (und den dahinterstehend verfassungsgesetzlich) geschützten Rechtspositionen als auch gegenüber seiner Rolle in jenem öffentlichen Meinungsbildungsprozess, den Art10 EMRK als Grundlage einer pluralistischen Demokratie schützt, stellt den Mediendiensteinhaber vor eine komplexe Aufgabe. Dies umso mehr dann, wenn er unvorhergesehen auf ein terroristisches Ereignis reagieren und aktuell darüber berichten muss. Dass gerade in solchen Konstellationen der zeitnahen journalistischen Berichterstattung in audiovisuellen Mediendiensten zum Zwecke der Information der Öffentlichkeit besondere Bedeutung zukommt und Art10 EMRK deren Freiheit der Berichterstattung gerade auch deswegen schützt, um in solchen Situationen das Feld der öffentlichen Kommunikation nicht ausschließlich sozialen Medien unter deren spezifischen Kommunikationsbedingungen zu überlassen, hebt die Beschwerdeführerin zu Recht hervor.

2.3. Diese verfassungsrechtlichen Zusammenhänge verkennt das Bundesverwaltungsgericht, wenn es davon ausgeht, dass der Schutz der Menschenwürde gemäß §30 Abs1 AMD-G von der Beschwerdeführerin verlangt habe, Video- und Bildberichterstattung über einen getroffenen Polizisten und den Leichnam des Attentäters jedenfalls zu unterlassen, ungeachtet des Umstandes, dass in beiden Fällen die konkrete Person auf den Bildern nicht individualisierbar war. Im Lichte des Art10 EMRK kann es für die Abwägung zwischen dem Berichterstattungsinteresse und dem Menschenwürde- und Persönlichkeitsschutz der Betroffenen nicht darauf ankommen, dass – auch wenn dieser Menschenwürde- und Persönlichkeitsschutz auch das engere soziale Umfeld der abgebildeten Personen vor Leid und Kummer schützt – im Zuge der nachfolgenden erwartbar einsetzenden Aufarbeitung des ersten Terroranschlages in Österreich nach Jahrzehnten die nicht identifizierbar abgebildete Person des zum Opfer des Terroranschlages gewordenen Polizisten für sein soziales Umfeld im Nachhinein jedenfalls erkennbar wird. Damit wäre im Ergebnis jede, wenn auch anonymisierte bildliche Darstellung von einzelnen Opfern verunmöglicht. Dies trägt dem dargestellten Informationsinteresse über Ereignisse wie den in Rede stehenden Terroranschlag und die Opfer und damit das Leid, das terroristische Gewalt verursacht, nicht angemessen Rechnung und führt bei der Anwendung des §30 Abs1 AMD-G zu einem Abwägungsergebnis, das mit verfassungsrechtlichen Vorgaben nicht vereinbar ist.

Vergleichbares gilt, wenn das Bundesverwaltungsgericht in Verkennung der Bedeutung des öffentlichen Informationsinteresses davon ausgeht, dass das Bild des toten Attentäters diesen in einem hilflosen Zustand der Öffentlichkeit vorführe, so dass die Beschwerdeführerin ein anderes, gelinderes Mittel der Berichterstattung als die Ausstrahlung des fraglichen Bildes hätte wählen müssen. In diesem Zusammenhang nicht nur bloß verbal oder textlich über den Tod des Attentäters zu berichten, sondern den toten Körper auch in einer Weise abzubilden, die ihn als Person nicht identifizierbar macht, liegt auch in Ansehung der Grundrechte des Attentäters jedenfalls in der durch Art10 EMRK geschützten journalistischen Gestaltungsfreiheit der Beschwerdeführerin.

2.4. Das Bundesverwaltungsgericht wird im fortgesetzten Verfahren zu beurteilen haben, inwieweit bei der bildlichen Darstellung von Verletzten, die im vorliegenden Verfahren als dritter Aspekt der Berichterstattung Gegenstand seiner Beurteilung unter §30 Abs1 AMD-G ist, die betroffenen Personen identifizierbar sind und inwieweit dies dazu führt, dass deren Menschenwürde- und Persönlichkeitsschutz einer derartigen bildlichen Veröffentlichung entgegensteht. Dass aber grundsätzlich auch die bildliche Darstellung der Verletzungen, die Opfer des Terroranschlages erlitten haben, und ihre Schmerzen dem öffentlichen Informationsinteresse unterfallen, ergibt sich aus den vorstehenden Ausführungen. Es ist der Öffentlichkeit und damit den Menschen zumutbar, mit der Wahrheit über die Auswirkungen von Terroranschlägen auch in einer schockierenden, verstörenden und Empfindungen verletzenden Weise konfrontiert zu werden, wenn durch einen angemessenen und nicht exzessiven Einsatz einschlägiger Bildberichterstattung jene öffentliche Betroffenheit hergestellt werden soll, die Voraussetzung dafür ist, dass auch Menschen, die über derartige Ereignisse medial informiert werden, Anteil nehmen und die Auswirkungen der Gewalt einschätzen können.

3. Zur Feststellung der Verletzung von §41 Abs5 AMD-G durch das Bundesverwaltungsgericht:

3.1. §41 Abs5 AMD-G verlangt, dass Berichterstattung und Informationssendungen in allen Fernsehprogrammen den anerkannten journalistischen Grundsätzen zu entsprechen haben. Das Bundesverwaltungsgericht erachtet diese Anforderungen durch die in Rede stehende Bildberichterstattung deswegen verletzt, weil die Beschwerdeführerin das Video- und Bildmaterial ausgestrahlt habe, obwohl die Sicherheitsbehörden während des Terroranschlages ausdrücklich dazu aufgerufen haben, keine Videos und Fotos in sozialen Medien zu posten, weil dies sowohl Einsatzkräfte als auch die Zivilbevölkerung gefährden könne. Nach Auffassung des Bundesverwaltungsgerichtes hätte sich die Beschwerdeführerin unter Bedachtnahme auf die journalistische Sorgfalt auf eine möglichst sachliche, rein informative Berichterstattung ohne "Sensationsbilder" beschränken müssen.

Das Bundesverwaltungsgericht geht zur Begründung dieser Auffassung, erstens, davon aus, dass der Aufruf der LPD Wien, keine Videos und Bilder in sozialen Medien zu verbreiten, gleichermaßen auch für deren Verbreitung in Fernsehprogrammen gelte. Zweitens sieht das Bundesverwaltungsgericht §41 Abs5 AMD-G deswegen verletzt, weil die Video- und Bildberichterstattung der Beschwerdeführerin geeignet gewesen sei, den Polizeieinsatz zu behindern und insbesondere den Tätern Informationen zur Verfügung zu stellen, die ihnen wesentliche Vorteile verschafften.

3.2. Zunächst übersieht das Bundesverwaltungsgericht mit dieser Auffassung die unterschiedliche Bedeutung, die Art10 EMRK redaktioneller journalistischer Berichterstattung – wie hier in audiovisuellen Mediendiensten – in Abgrenzung zu sonstiger Kommunikation in öffentlichen Kommunikationsnetzen, insbesondere in sozialen Medien zumisst vergleiche VfGH 5.10.2023, E1008/2023). Insofern kann der in Rede stehende Aufruf der LPD Wien nicht als Ansinnen verstanden werden, journalistische Bildberichterstattung über den Terroranschlag und seine Auswirkungen, einschließlich des Polizeieinsatzes, zu unterlassen; seine Bedeutung, der im Rahmen der journalistischen Sorgfalt unzweifelhaft Rechnung zu tragen ist, muss aber für die Verbreitung von Video- und Bildmaterial in sozialen Medien und im Zuge journalistischer Berichterstattung in Fernsehprogrammen differenziert erfasst werden. Insbesondere ist es im Rahmen der journalistischen Berichterstattung Aufgabe und Verantwortung der die Fernsehsendung gestaltenden Personen, das öffentliche Informationsinteresse mit den Sicherheits- und Personenschutzinteressen, die den Aufruf der LPD Wien tragen, abzuwägen (eine Verantwortung, die bei Postings in sozialen Medien nicht erwartet werden kann).

Das Bundesverwaltungsgericht hätte im Lichte des Art10 EMRK daher im Einzelnen darlegen müssen, aus welchen Gründen es welche konkrete Video- und Bildberichterstattung für geeignet erachtet, die hinter dem Aufruf der LPD Wien stehenden Sicherheits- und Bevölkerungsschutzanliegen zu gefährden. Eine pauschale Betrachtung, wie sie das Bundesverwaltungsgericht vorgenommen hat, dass vorliegend die journalistische Sorgfalt gefordert hätte, Video- und Bildberichterstattung gänzlich zu unterlassen, beschränkt die Berichterstattungsfreiheit der Beschwerdeführerin in einer in einer demokratischen Gesellschaft nicht notwendigen Weise.

römisch IV. Ergebnis

1. Die Beschwerdeführerin ist durch das angefochtene Erkenntnis daher im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Meinungsäußerungs- und Rundfunkfreiheit gemäß Art10 EMRK verletzt worden.

Das Erkenntnis ist daher aufzuheben.

2. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.

3. Die Kostenentscheidung beruht auf §88 VfGG. In den zugesprochenen Kosten sind Umsatzsteuer in Höhe von € 436,– sowie eine Eingabengebühr gemäß §17a VfGG in der Höhe von € 240,– enthalten.

Schlagworte

Privatrundfunk, Rundfunkfreiheit, Meinungsäußerungsfreiheit, Fernsehen terrestrisches, Rechte höchstpersönliche, Medienrecht, Rundfunk, Entscheidungsbegründung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:2024:E2908.2023

Zuletzt aktualisiert am

04.06.2025

Dokumentnummer

JFT_20240307_23E02908_00