Bundesrecht konsolidiert: Gesamte Rechtsvorschrift für Heimaufenthaltsgesetz, Fassung vom 10.10.2024

§ 0

Langtitel

Bundesgesetz über den Schutz der persönlichen Freiheit während des Aufenthalts in Heimen und anderen Pflege- und Betreuungseinrichtungen (Heimaufenthaltsgesetz – HeimAufG)
StF: BGBl. I Nr. 11/2004 (NR: GP XXII RV 353 AB 378 S. 46. BR: 6966 S. 705.)

§ 1

Text

1. Abschnitt
Allgemeine Bestimmungen

Schutz der persönlichen Freiheit

Paragraph eins,
  1. Absatz einsDie persönliche Freiheit von Menschen, die aufgrund des Alters, einer Behinderung oder einer Krankheit der Pflege oder Betreuung bedürfen, ist besonders zu schützen. Ihre Menschenwürde ist unter allen Umständen zu achten und zu wahren. Die mit der Pflege oder Betreuung betrauten Menschen sind zu diesem Zweck besonders zu unterstützen.
  2. Absatz 2Freiheitsbeschränkungen sind nur dann zulässig, soweit sie im Verfassungsrecht, in diesem Bundesgesetz oder in anderen gesetzlichen Vorschriften ausdrücklich vorgesehen sind.

§ 2

Text

Geltungsbereich

Paragraph 2,
  1. Absatz einsDieses Bundesgesetz regelt allein die Voraussetzungen und die Überprüfung von Freiheitsbeschränkungen in Alten- und Pflegeheimen, Behindertenheimen sowie in anderen Einrichtungen, in denen wenigstens drei psychisch kranke oder geistig behinderte Menschen ständig betreut oder gepflegt werden können. In Krankenanstalten ist dieses Bundesgesetz nur auf Personen anzuwenden, die dort wegen ihrer psychischen Krankheit oder geistigen Behinderung der ständigen Pflege oder Betreuung bedürfen.
  2. Absatz 2Dieses Bundesgesetz ist auf Krankenanstalten oder Abteilungen für Psychiatrie sowie auf Anstalten für geistig abnorme und entwöhnungsbedürftige Rechtsbrecher nicht anzuwenden.
  3. Absatz 3Im Übrigen gilt dieses Bundesgesetz nicht für die Aufnahme, die Pflege und Betreuung, die Behandlung und den Umgang mit sonstigen Persönlichkeitsrechten der Bewohner von Alten- und Pflegeheimen sowie anderen Einrichtungen.

§ 3

Text

Freiheitsbeschränkung

Paragraph 3,
  1. Absatz einsEine Freiheitsbeschränkung im Sinn dieses Bundesgesetzes liegt vor, wenn eine Ortsveränderung einer betreuten oder gepflegten Person (im Folgenden Bewohner) gegen oder ohne ihren Willen mit physischen Mitteln, insbesondere durch mechanische, elektronische oder medikamentöse Maßnahmen, oder durch deren Androhung unterbunden wird.
  2. Absatz eins aEine alterstypische Freiheitsbeschränkung an einem Minderjährigen ist keine Freiheitsbeschränkung im Sinn dieses Bundesgesetzes.
  3. Absatz 2Eine Freiheitsbeschränkung liegt nicht vor, wenn der entscheidungsfähige Bewohner einer Unterbindung der Ortsveränderung, insbesondere im Rahmen eines Vertrages über die ärztliche Behandlung, zugestimmt hat. Diese Zustimmung kann nur der Bewohner selbst erteilen.

§ 4

Text

2. Abschnitt
Voraussetzungen einer Freiheitsbeschränkung

Zulässigkeitsvoraussetzungen

Paragraph 4,

Eine Freiheitsbeschränkung darf nur vorgenommen werden, wenn

  1. Ziffer eins
    der Bewohner psychisch krank oder geistig behindert ist und im Zusammenhang damit sein Leben oder seine Gesundheit oder das Leben oder die Gesundheit anderer ernstlich und erheblich gefährdet,
  2. Ziffer 2
    sie zur Abwehr dieser Gefahr unerlässlich und geeignet sowie in ihrer Dauer und Intensität im Verhältnis zur Gefahr angemessen ist sowie
  3. Ziffer 3
    diese Gefahr nicht durch andere Maßnahmen, insbesondere schonendere Betreuungs- oder Pflegemaßnahmen, abgewendet werden kann.

§ 5

Text

Vornahme einer Freiheitsbeschränkung

Paragraph 5,
  1. Absatz einsEine Freiheitsbeschränkung darf nur auf Grund der Anordnung einer dazu befugten Person vorgenommen werden. Anordnungsbefugt sind
    1. Ziffer eins
      für Freiheitsbeschränkungen durch medikamentöse oder sonstige dem Arzt gesetzlich vorbehaltene Maßnahmen und alle damit in unmittelbarem Zusammenhang erforderlichen Freiheitsbeschränkungen ein Arzt;
    2. Ziffer 2
      für Freiheitsbeschränkungen durch Maßnahmen im Rahmen der Pflege ein mit der Anordnung derartiger freiheitsbeschränkender Maßnahmen von der Einrichtung betrauter Angehöriger des gehobenen Dienstes für Gesundheits- und Krankenpflege und
    3. Ziffer 3
      für Freiheitsbeschränkungen durch Maßnahmen im Rahmen der Betreuung in Einrichtungen der Behindertenhilfe und in Einrichtungen zur Pflege und Erziehung Minderjähriger die mit der pädagogischen Leitung betraute Person und deren Vertreter.
  2. Absatz 2Sofern der Bewohner länger als 48 Stunden dauernd oder über diesen Zeitraum hinaus wiederholt in seiner Freiheit beschränkt wird, hat der Leiter der Einrichtung unverzüglich ein ärztliches Gutachten, ein ärztliches Zeugnis (Paragraph 55, Ärztegesetz 1998) oder sonstige ärztliche Aufzeichnungen (Paragraph 51, Ärztegesetz 1998) darüber einzuholen, dass der Bewohner psychisch krank oder geistig behindert ist und im Zusammenhang damit sein Leben oder seine Gesundheit oder das Leben oder die Gesundheit anderer ernstlich und erheblich gefährdet. Diese ärztlichen Dokumente müssen im Zeitpunkt der Vornahme der Freiheitsbeschränkung aktuell sein.
  3. Absatz 3Eine Freiheitsbeschränkung darf nur unter Einhaltung fachgemäßer Standards und unter möglichster Schonung des Bewohners durchgeführt werden.
  4. Absatz 4Eine Freiheitsbeschränkung ist sofort aufzuheben, wenn deren Voraussetzungen nicht mehr vorliegen.

§ 6

Text

Dokumentation

Paragraph 6,
  1. Absatz einsDer Grund, die Art, der Beginn und die Dauer der Freiheitsbeschränkung sind schriftlich zu dokumentieren. Ärztliche Zeugnisse und der Nachweis über die notwendigen Verständigungen sind diesen Aufzeichnungen anzuschließen.
  2. Absatz 2Ebenso sind der Grund, die Art, der Beginn und die Dauer einer mit dem Willen des Bewohners vorgenommenen Einschränkung seiner persönlichen Freiheit festzuhalten.

§ 7

Text

Aufklärung und Verständigung

Paragraph 7,
  1. Absatz einsDie anordnungsbefugte Person hat den Bewohner über den Grund, die Art, den Beginn und die voraussichtliche Dauer der Freiheitsbeschränkung auf geeignete, seinem Zustand entsprechende Weise aufzuklären. Zudem hat sie von der Freiheitsbeschränkung, von deren Aufhebung und von einer mit dem Willen des Bewohners vorgenommenen Einschränkung seiner persönlichen Freiheit unverzüglich den Leiter der Einrichtung zu verständigen.
  2. Absatz 2Der Leiter der Einrichtung hat von der Freiheitsbeschränkung und von deren Aufhebung unverzüglich den Vertreter und die Vertrauensperson des Bewohners zu verständigen und diesen Gelegenheit zur Stellungnahme einzuräumen. Diese Personen sind auch von einer mit dem Willen des Bewohners vorgenommenen Einschränkung seiner persönlichen Freiheit sowie deren Aufhebung unverzüglich zu verständigen.
  3. Absatz 3Bei der Kommunikation sind nach Maßgabe der technischen Möglichkeiten der Einrichtung hinreichende Maßnahmen zur Datensicherheit zu treffen.

§ 8

Text

3. Abschnitt
Vertretung

Bewohnervertreter

Paragraph 8,
  1. Absatz einsDie Bevollmächtigung durch den Bewohner, ihn bei der Wahrnehmung seines Rechtes auf persönliche Freiheit zu vertreten, bedarf der Schriftform und muss sich ausdrücklich auf die Wahrnehmung dieses Rechtes beziehen. Der Vertreter darf nicht in einem Abhängigkeitsverhältnis oder in einer anderen engen Beziehung zur Einrichtung stehen.
  2. Absatz 2Darüber hinaus wird auch der für die Namhaftmachung von Bewohnervertretern nach der Lage der Einrichtung örtlich zuständige Verein (Paragraph eins, ErwSchVG) kraft Gesetzes Vertreter des Bewohners, sobald eine Freiheitsbeschränkung vorgenommen oder in Aussicht gestellt wird. Durch diese Vertretungsbefugnis werden die Geschäftsfähigkeit des Bewohners und die Vertretungsbefugnis eines anderen Vertreters nicht berührt.
  3. Absatz 3Der Verein hat dem Träger der Einrichtung und dem Vorsteher des zuständigen Bezirksgerichts eine oder mehrere von ihm ausgebildete und für die besonderen Verhältnisse im Pflegebereich geschulte Personen namhaft zu machen, denen die Ausübung der Vertretungsbefugnisse zukommt (Bewohnervertreter). Der Vorsteher des Bezirksgerichts hat den Namen und die Büroadresse des Bewohnervertreters in der Ediktsdatei kundzumachen. Wenn der Verein die Namhaftmachung eines Bewohnervertreters widerruft, hat der Vorsteher des Bezirksgerichts die Kundmachung zu berichtigen.
  4. Absatz 4Der nach Absatz eins, bevollmächtigte Vertreter hat von der Begründung oder Beendigung der Vollmacht den Leiter der Einrichtung und – sofern ein gerichtliches Verfahren anhängig ist – auch das Gericht unverzüglich zu verständigen.

§ 9

Text

Befugnisse und Pflichten des Vertreters

Paragraph 9,
  1. Absatz einsDie für eine Einrichtung namhaft gemachten Bewohnervertreter sind insbesondere berechtigt, die Einrichtung unangemeldet zu besuchen, sich vom Bewohner einen persönlichen Eindruck zu verschaffen, mit der anordnungsbefugten Person und Bediensteten der Einrichtung das Vorliegen der Voraussetzungen der Freiheitsbeschränkung zu besprechen, die Interessenvertreter der Bewohner der Einrichtung zu befragen und in dem zur Wahrnehmung ihrer Aufgaben erforderlichen Umfang Einsicht in die Pflegedokumentation, die Krankengeschichte und andere Aufzeichnungen über den Bewohner zu nehmen. Diese Rechte stehen auch dem sonstigen Vertreter des Bewohners zu, sofern diese Angelegenheit in seinen Wirkungsbereich fällt, bei minderjährigen Bewohnern dem gesetzlichen Vertreter im Bereich der Pflege und Erziehung. Bei der Wahrnehmung seiner Rechte hat der Bewohnervertreter oder sonstige Vertreter auf die Erfordernisse des Betriebs der Einrichtung Bedacht zu nehmen.
  2. Absatz 2Der Leiter der Einrichtung hat dafür zu sorgen, dass der Bewohner in geeigneter Weise Auskunft über den Bewohnervertreter erhält und sich mit diesem oder seinem sonstigen Vertreter ungestört besprechen kann.
  3. Absatz 3Der Bewohnervertreter ist befugt, den für die Aufsicht über die Einrichtung oder zur Bearbeitung von Beschwerden zuständigen Behörden die von ihm in Ausübung seiner Tätigkeit gemachten Wahrnehmungen mitzuteilen. Er hat diesen Behörden insoweit Auskünfte zu erteilen, als dies für die Besorgung der ihnen zukommenden Aufgaben erforderlich ist.

§ 10

Text

Verhältnis zum Vertretenen

Paragraph 10,
  1. Absatz einsDer Bewohnervertreter hat den Bewohner über die beabsichtigten Vertretungshandlungen und sonstige wichtige Angelegenheiten auf geeignete, dessen Zustand entsprechende Weise aufzuklären. Er hat den Wünschen des Bewohners zu entsprechen, soweit diese dessen Wohl nicht offenbar abträglich und dem Bewohnervertreter zumutbar sind.
  2. Absatz 2Der Bewohnervertreter ist zur Verschwiegenheit über die von ihm in Ausübung seiner Tätigkeit gemachten Wahrnehmungen verpflichtet, soweit die Geheimhaltung im Interesse des Bewohners erforderlich ist und nicht diesen selbst eine Auskunftspflicht trifft. Diese Verschwiegenheitspflicht gilt nicht gegenüber dem Gericht, dem Verein, dem Vertreter und der Vertrauensperson des Bewohners sowie gegenüber den in Paragraph 9, Absatz 3, genannten Behörden. Ihre Verletzung ist wie die Verletzung von Berufsgeheimnissen (Paragraph 121, des Strafgesetzbuchs, Bundesgesetzblatt Nr. 60 aus 1974,) zu bestrafen.

§ 11

Text

4. Abschnitt
Gerichtliche Überprüfung

Antrag auf Überprüfung

Paragraph 11,
  1. Absatz einsDer Bewohner, sein Vertreter, seine Vertrauensperson und der Leiter der Einrichtung sind berechtigt, einen Antrag auf gerichtliche Überprüfung einer Freiheitsbeschränkung zu stellen. Sofern der Antrag nicht von der Vertrauensperson des Bewohners gestellt wird, sind deren Name und Adresse im Antrag anzugeben.
  2. Absatz 2Zur Überprüfung einer Freiheitsbeschränkung ist das Bezirksgericht zuständig, in dessen Sprengel die Einrichtung liegt.
  3. Absatz 3Soweit im Folgenden nichts anderes bestimmt wird, sind auf das Verfahren die allgemeinen Bestimmungen des Außerstreitgesetzes anzuwenden. Paragraph 116 a, Absatz eins,, 3 und 4 AußStrG gilt sinngemäß, für minderjährige Bewohner ab Vollendung des 14. Lebensjahres.
  4. Absatz 4Die Kosten des gerichtlichen Verfahrens trägt der Bund.

§ 12

Text

Anhörung des Bewohners

Paragraph 12,
  1. Absatz einsDas Gericht hat sich binnen sieben Tagen ab dem Einlangen des Antrags einen persönlichen Eindruck vom Bewohner in der Einrichtung zu verschaffen. Es hat ihn über Grund und Zweck des Verfahrens zu unterrichten und hiezu zu hören, die Krankengeschichte, die Pflegedokumentation und andere Aufzeichnungen über ihn einzusehen sowie seine Vertreter, seine Vertrauensperson, den Leiter der Einrichtung, die Person, die die Freiheitsbeschränkung angeordnet hat, sowie erforderlichenfalls auch den Arzt, der das Dokument im Sinn des Paragraph 5, Absatz 2, errichtet hat, und andere zur Verfügung stehende Auskunftspersonen zu hören. Auch kann das Gericht der Anhörung des Bewohners einen nicht der Einrichtung angehörenden und von dieser unabhängigen Sachverständigen beiziehen.
  2. Absatz 2Das Gericht kann die Anhörung mit einer mündlichen Verhandlung (Paragraph 14,) verbinden.
  3. Absatz 3Das Gericht kann die Anhörung unter Verwendung geeigneter technischer Kommunikationsmittel zur Wort- und Bildübertragung durchführen und auf diese Weise der Anhörung beizuziehende Personen teilnehmen lassen, wenn die Gesundheit einer am Verfahren beteiligten Person durch ihre persönliche Teilnahme aufgrund einer allgemein vorherrschenden Krisensituation ernstlich gefährdet wäre und die Gefährdung nicht anders abgewendet werden kann.

§ 13

Text

Erste Entscheidung

Paragraph 13,
  1. Absatz einsHat das Gericht die Anhörung nicht mit einer mündlichen Verhandlung verbunden, so hat es am Schluss der Anhörung über die vorläufige Zulässigkeit der Freiheitsbeschränkung zu entscheiden. Gelangt das Gericht zum Ergebnis, dass die Voraussetzungen der Freiheitsbeschränkung vorliegen, so hat es diese vorläufig bis zur Entscheidung nach Paragraph 15, Absatz eins, für zulässig zu erklären und eine mündliche Verhandlung anzuberaumen, die spätestens innerhalb von 14 Tagen nach der Anhörung stattzufinden hat. Gegen diese Entscheidung ist ein abgesondertes Rechtsmittel nicht zulässig.
  2. Absatz 2Gelangt das Gericht hingegen zum Ergebnis, dass die Voraussetzungen der Freiheitsbeschränkung nicht vorliegen, so hat es diese für unzulässig zu erklären. In diesem Fall ist die Freiheitsbeschränkung sofort aufzuheben, es sei denn, dass der Leiter der Einrichtung in der Anhörung gegen diesen Beschluss einen Rekurs anmeldet und dass das Gericht diesem Rekurs sogleich aufschiebende Wirkung zuerkennt. Die Verweigerung der aufschiebenden Wirkung lässt das Rekursrecht unberührt. Der Rekurs ist innerhalb von drei Tagen auszuführen.

§ 14

Text

Mündliche Verhandlung

Paragraph 14,
  1. Absatz einsDas Gericht hat zur mündlichen Verhandlung in der Einrichtung den Bewohner, seine Vertreter, seine Vertrauensperson, den Leiter der Einrichtung, die Person, die die Freiheitsbeschränkung angeordnet hat, sowie erforderlichenfalls auch den Arzt, der das Dokument im Sinn des Paragraph 5, Absatz 2, ausgestellt hat, und andere zur Verfügung stehende Auskunftspersonen zu laden.
  2. Absatz 2Der Leiter der Einrichtung hat dafür zu sorgen, dass der Bewohner an der Verhandlung teilnehmen kann. Das Gericht und alle in der Verhandlung anwesenden Personen haben darauf zu achten, dass die Verhandlung unter möglichster Schonung des Bewohners durchgeführt wird und von anderen Bewohnern tunlichst nicht wahrgenommen werden kann. Für die mündliche Verhandlung gilt Paragraph 19, AußStrG. Das Gericht kann die Öffentlichkeit auch ausschließen, wenn es das Interesse des Bewohners erfordert. Auf Verlangen des Bewohners oder seines Vertreters ist die Öffentlichkeit jedenfalls auszuschließen.
  3. Absatz 3Das Gericht hat der mündlichen Verhandlung einen nicht der Einrichtung angehörenden und von dieser unabhängigen Sachverständigen beizuziehen. Den Parteien ist Gelegenheit zu geben, Fragen an den Sachverständigen zu stellen.
  4. Absatz 4Das Gericht kann die mündliche Verhandlung unter Verwendung geeigneter technischer Kommunikationsmittel zur Wort- und Bildübertragung auch außerhalb der Einrichtung durchführen, auf diese Weise Beweise aufnehmen und sonst der Verhandlung beizuziehende Personen teilnehmen lassen, wenn die Gesundheit einer am Verfahren beteiligten Person durch ihre persönliche Teilnahme aufgrund einer allgemein vorherrschenden Krisensituation ernstlich gefährdet wäre und die Gefährdung nicht anders abgewendet werden kann. Paragraph 18, Absatz 2, AußStrG ist nicht anzuwenden.

§ 15

Text

Beschluss

Paragraph 15,
  1. Absatz einsDas Gericht hat am Schluss der mündlichen Verhandlung über die Zulässigkeit der Freiheitsbeschränkung zu entscheiden. Der Beschluss ist in der mündlichen Verhandlung zu verkünden, zu begründen und dem Bewohner in geeigneter, seinem Zustand entsprechender Weise zu erläutern.
  2. Absatz 2Erklärt das Gericht die Freiheitsbeschränkung für zulässig, so hat es hiefür im Beschluss eine bestimmte, sechs Monate nicht übersteigende Frist zu setzen und die näheren Umstände sowie das zulässige Ausmaß der Freiheitsbeschränkung unter möglichster Schonung des Bewohners genau zu bestimmen. Es kann die Zulässigkeit einer Freiheitsbeschränkung erforderlichenfalls auch an Auflagen knüpfen.
  3. Absatz 3Erklärt das Gericht die Freiheitsbeschränkung für unzulässig, so ist diese sofort aufzuheben, es sei denn, dass der Leiter der Einrichtung in der Verhandlung gegen diesen Beschluss einen Rekurs anmeldet und dass das Gericht diesem Rekurs sogleich aufschiebende Wirkung zuerkennt. Die Verweigerung der aufschiebenden Wirkung lässt das Rekursrecht unberührt.
  4. Absatz 4Das Gericht hat, wenn die Freiheitsbeschränkung noch andauert, den Beschluss innerhalb von sieben Tagen schriftlich auszufertigen. Der Beschluss ist unverzüglich dem Bewohner, seinem Vertreter, seiner Vertrauensperson sowie dem Leiter der Einrichtung zuzustellen.

§ 16

Text

Rechtsmittel

Paragraph 16,
  1. Absatz einsGegen den Beschluss, mit dem eine Freiheitsbeschränkung für zulässig erklärt wird, können der Bewohner, sein Vertreter und seine Vertrauensperson innerhalb von 14 Tagen ab Zustellung Rekurs erheben.
  2. Absatz 2Gegen den Beschluss, mit dem eine Freiheitsbeschränkung für unzulässig erklärt wird, kann der Leiter der Einrichtung innerhalb von sieben Tagen ab Zustellung Rekurs erheben. Das Gericht erster Instanz hat unmittelbar nach Einlangen des Rekurses zu entscheiden, ob die dem Rekurs nach Paragraph 15, Absatz 3, zuerkannte aufschiebende Wirkung weiter besteht. Gegen diese Entscheidung ist ein abgesondertes Rechtsmittel nicht zulässig.
  3. Absatz 3Das Recht zur Rekursbeantwortung steht nur dem Bewohner, seinem Vertreter und seiner Vertrauensperson gegen Rechtsmittel des Leiters der Einrichtung zu. Die Rekursbeantwortung ist innerhalb von sieben Tagen ab Zustellung des Rechtsmittels einzubringen.

§ 17

Text

Rekursverfahren

Paragraph 17,
  1. Absatz einsDas Rekursgericht hat, wenn die Freiheitsbeschränkung noch andauert, innerhalb von 14 Tagen ab dem Einlangen der Akten zu entscheiden.
  2. Absatz 2Das Rekursgericht hat das Verfahren selbst zu ergänzen oder neu durchzuführen, soweit es dies für erforderlich hält. Es kann sich auch durch ein einzelnes Mitglied des Senats einen persönlichen Eindruck vom Bewohner verschaffen. Paragraph 14, Absatz 4, gilt entsprechend.
  3. Absatz 3Beschließt das Rekursgericht, die Freiheitsbeschränkung für unzulässig zu erklären, so hat es, sofern diese noch aufrecht ist, unverzüglich den Leiter der Einrichtung sowie den Bewohnervertreter (Paragraph 8, Absatz 2,) zu verständigen. Die Freiheitsbeschränkung ist in diesem Fall sogleich aufzuheben.

§ 17a

Text

Revisionsrekursverfahren

Paragraph 17 a,

Im Revisionsrekursverfahren gelten Paragraph 16, Absatz 3 und Paragraph 17, Absatz 3, sinngemäß.

§ 18

Text

Aufhebung der Freiheitsbeschränkung

Paragraph 18,
  1. Absatz einsVor Ablauf der gerichtlich festgesetzten Frist über die Dauer der Freiheitsbeschränkung hat das Gericht neuerlich über die Zulässigkeit der Freiheitsbeschränkung zu entscheiden, wenn dies der Bewohner, sein Vertreter oder seine Vertrauensperson beantragt.
  2. Absatz 2Auch eine gerichtlich für zulässig erklärte Freiheitsbeschränkung ist sofort aufzuheben, wenn deren Voraussetzungen nicht mehr vorliegen. Von der Aufhebung ist neben den in Paragraph 7, Absatz eins und 2 genannten Personen auch das Gericht unverzüglich zu verständigen.

§ 19

Text

Länger dauernde Freiheitsbeschränkung

Paragraph 19,
  1. Absatz einsBeabsichtigt die anordnungsbefugte Person, die Freiheitsbeschränkung nicht mit dem Ablauf der gerichtlich festgesetzten Frist aufzuheben, so hat sie hievon rechtzeitig unter Angabe der Gründe für die länger dauernde Freiheitsbeschränkung den Leiter der Einrichtung sowie in sinngemäßer Anwendung des Paragraph 7, Absatz eins, erster Satz den Bewohner zu verständigen. Der Leiter der Einrichtung hat hievon spätestens 14 Tage vor Ablauf der Frist die Vertreter und die Vertrauensperson des Bewohners unter Angabe der Gründe zu verständigen.
  2. Absatz 2Stellt der Vertreter des Bewohners nicht erneut einen Antrag auf Überprüfung, so hat er dies dem Gericht vor Ablauf der Frist unter Angabe der Gründe mitzuteilen. In diesem Fall kann das Gericht von Amts wegen ein Verfahren einleiten, wenn es dennoch Zweifel an der Zulässigkeit der länger dauernden Freiheitsbeschränkung hegt. Auf das Verfahren zur Überprüfung einer länger dauernden Freiheitsbeschränkung sind die Paragraphen 11 bis 18 anzuwenden.
  3. Absatz 3Im Beschluss, mit dem eine länger dauernde Freiheitsbeschränkung für zulässig erklärt wird, kann das Gericht eine Frist festsetzen, die ein Jahr nicht übersteigt.

§ 19a

Text

Nachträgliche Überprüfung

Paragraph 19 a,
  1. Absatz einsAuf Antrag des Bewohners oder seines Vertreters hat das Gericht nachträglich über die Zulässigkeit der Freiheitsbeschränkung zu entscheiden, wenn diese bereits vor einer Antragstellung nach Paragraph 11, aufgehoben wurde.
  2. Absatz 2Über Anträge nach Absatz eins, ist mündlich zu verhandeln. Zur Tagsatzung hat das Gericht den Bewohner, seine Vertreter, seine Vertrauensperson, den Leiter der Einrichtung und die Person, die die Freiheitsbeschränkung angeordnet hat, zu laden. Es kann auch einen Sachverständigen beiziehen (Paragraph 14, Absatz 3,). Der Leiter der Einrichtung hat dem Gericht das ärztliche Dokument im Sinn des Paragraph 5, Absatz 2,, die Krankengeschichte, die Pflegedokumentation und sonstige Aufzeichnungen über den Bewohner vorzulegen. Paragraph 14, Absatz 2 und 4 gilt entsprechend.
  3. Absatz 3Gegen den Beschluss, mit dem eine Freiheitsbeschränkung für zulässig erklärt wird, können der Bewohner und sein Vertreter, gegen den Beschluss, mit dem eine Freiheitsbeschränkung für unzulässig erklärt wird, kann der Leiter der Einrichtung innerhalb von 14 Tagen ab Zustellung Rekurs erheben.

§ 20

Text

5. Abschnitt
Schlussbestimmungen

Verweisungen

Paragraph 20,

Soweit in diesem Bundesgesetz auf andere Bundesgesetze verwiesen wird, sind diese in ihrer jeweils geltenden Fassung anzuwenden.

§ 21

Text

Personenbezogene Bezeichnungen

Paragraph 21,

Bei allen personenbezogenen Bezeichnungen gilt die gewählte Form für beide Geschlechter.

§ 22

Text

In-Kraft-Treten

Paragraph 22,
  1. Absatz einsDieses Bundesgesetz tritt mit 1. Juli 2005 in Kraft.
  2. Absatz 2Die Paragraphen 4,, 5, 7, 8, 9, 12, 13, 14, 15, 16, 17, 17a, 19 und 19a in der Fassung des Bundesgesetzes Bundesgesetzblatt Teil eins, Nr. 18 aus 2010, treten mit 1. Juli 2010 in Kraft. Paragraph 5, Absatz eins und 2 in der Fassung des Bundesgesetzes Bundesgesetzblatt Teil eins, Nr. 18 aus 2010, ist auf Freiheitsbeschränkungen anzuwenden, die nach dem 30. Juni 2010 vorgenommen werden; die Bestimmung ist nicht auf Freiheitsbeschränkungen anzuwenden, die bereits davor vorgenommen wurden und bereits beendet sind oder weiterhin andauern. Die Paragraphen 17, Absatz 3 und 17a zweiter Fall in der Fassung des Bundesgesetzes Bundesgesetzblatt Teil eins, Nr. 18 aus 2010, sind anzuwenden, wenn das Gericht den Beschluss, die Freiheitsbeschränkung für unzulässig zu erklären, nach dem 30. Juni 2010 fasst.
  3. Absatz 3Die Paragraphen 2,, 3, 5, 8, 9 und 11 in der Fassung des 2. Erwachsenenschutz-Gesetzes, Bundesgesetzblatt Teil eins, Nr. 59 aus 2017, (2. ErwSchG), treten mit 1. Juli 2018 in Kraft. Die Paragraphen 2,, 3, 5, 8 und 9 in der Fassung des 2. ErwSchG sind auf Freiheitsbeschränkungen anzuwenden, die nach dem 30. Juni 2018 vorgenommen werden oder am 1. Juli 2018 noch andauern; diese Bestimmungen sind nicht auf Freiheitsbeschränkungen anzuwenden, die bereits davor vorgenommen und beendet wurden. Paragraph 11, in der Fassung des 2. ErwSchG ist anzuwenden, wenn das Verfahren nach dem 30. Juni 2018 bei Gericht anhängig wird.
  4. Absatz 4Die Paragraph 12, Absatz 3,, Paragraph 14, Absatz 4,, Paragraph 17, Absatz 2 und Paragraph 19 a, Absatz 2, in der Fassung des Bundesgesetzes Bundesgesetzblatt Teil eins, Nr. 77 aus 2023, treten mit 14. Juli 2023 in Kraft.

§ 23

Text

Übergangsbestimmungen

Paragraph 23,
  1. Absatz einsDie Bestimmungen dieses Bundesgesetzes sind auch auf Freiheitsbeschränkungen anzuwenden, die vor seinem In-Kraft-Treten vorgenommen worden sind und weiterhin andauern.
  2. Absatz 2Sofern ein Verein keinen Bewohnervertreter namhaft macht, hat der Vorsteher des Bezirksgerichts für die in seinem Sprengel gelegenen Einrichtungen geeignete und dazu bereite Personen zu Bewohnervertretern zu bestellen. Diesen Personen kommen die Rechte und Pflichten des Vereins und des Bewohnervertreters zu. Der Vorsteher des Bezirksgerichts hat die Namen und Adressen dieser Personen in der Ediktsdatei kundzumachen.
  3. Absatz 3Ein nach Absatz 2, bestellter Bewohnervertreter hat Anspruch auf Ersatz der Reise- und Aufenthaltskosten sowie der notwendigen Barauslagen und auf Abgeltung des Zeitaufwands in der in Paragraph 18, Absatz eins, des Gebührenanspruchsgesetzes 1975, Bundesgesetzblatt Nr. 136, angeführten Höhe. Über den Gebührenanspruch entscheidet der Vorsteher des Bezirksgerichts. Die Beträge sind am Ende jedes Kalendervierteljahres auszuzahlen.

§ 24

Text

Haftung und Rückersatz

Paragraph 24,
  1. Absatz einsDer Bund haftet nach Maßgabe des Amtshaftungsgesetzes, Bundesgesetzblatt Nr. 20 aus 1949,, für den Schaden am Vermögen oder an der Person, den ein Bediensteter oder Beauftragter einer Einrichtung in Vollziehung dieses Bundesgesetzes durch ein rechtswidriges Verhalten wem immer schuldhaft zugefügt hat. Der Bedienstete oder Beauftragte haftet dem Geschädigten nicht.
  2. Absatz 2Der Träger der Einrichtung haftet dem Bund für die nach Absatz eins, erbrachten Leistungen, sofern der Schaden vorsätzlich oder grob fahrlässig verursacht worden ist. Dies gilt insbesondere auch, wenn der Schaden auf ein Organisationsverschulden zurückzuführen ist.
  3. Absatz 3Der Träger der Einrichtung kann vom Bediensteten oder Beauftragten für die nach Absatz 2, erbrachten Leistungen Rückersatz begehren, sofern dieser den Schaden vorsätzlich oder grob fahrlässig verursacht hat. Auf diesen Anspruch und seine Geltendmachung sind die Bestimmungen des Amtshaftungsgesetzes über den Rückersatz anzuwenden.

§ 25

Text

Vollziehung

Paragraph 25,

Mit der Vollziehung dieses Bundesgesetzes sind hinsichtlich der Paragraphen eins bis 7 und des Paragraph 23, Absatz eins,, soweit diese Bestimmung sich auf die Paragraphen eins bis 7 bezieht, der Bundesminister für Gesundheit und Frauen, hinsichtlich der übrigen Bestimmungen der Bundesminister für Justiz betraut.