Landesverwaltungsgericht Steiermark
28.10.2016
LVwG 40.3-1095/2016
Das Landesverwaltungsgericht Steiermark hat durch den Richter
Mag. Dr. Kundegraber über den Antrag des P Q, geb. am
xx, vertreten durch Mag. R F, Rechtsanwalt in G, nachfolgenden
B E S C H L U S S
gefasst:
A. Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand des Verfahrens wird
zurückgewiesen.
B. Gegen den Beschluss ist gemäß Paragraph 25 a, Verwaltungsgerichtshofgesetz (VwGG) eine ordentliche Revision unzulässig.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
römisch eins. 1. Am 13. April 2016 brachte der Beschwerdeführer einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand in Verbindung mit einer Maßnahmen-
beschwerde beim Landesverwaltungsgericht Steiermark ein. Der Antrag wurde im Wesentlichen damit begründet, dass der Beschwerdeführer am 03. Jänner 2016 „und drei weitere Male innerhalb der darauffolgenden Woche“ an der Grenzkontrollstelle Spielfeld (Bundesstraße) zurückgewiesen worden sei. Die Zurückweisungen seien von Seiten des Grenzkontrollorganes ohne Begründung erfolgt und wurde dem Beschwerdeführer erklärt, dass er als iranischer Staatsangehöriger in Österreich nicht um Asyl ansuchen könne und deshalb nicht zur Einreise berechtigt sei. In weiterer Folge habe der Beschwerdeführer, um einer Abschiebung nach Kroatien zu entgehen, in Slowenien einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt, worauf er in das Aufnahmezentrum in Ljubljana (Vic) gebracht worden sei.
Da der Beschwerdeführer weder in schriftlicher noch mündlicher Form eine Begründung für die Einreiseverweigerung erhalten habe, habe er keine Angaben über Kontaktstellen erhalten, die ihn über eine rechtliche Vertretung zur Erhebung eines Rechtsbehelfs gegen die Einreiseverweigerung informiert hätten (Artikel 13, Absatz 3, Grenzkodex). Der Beschwerdeführer habe erst am 30. März 2016 von anderen an der Grenze zurückgewiesenen und in Slowenien aufhältigen Personen erfahren, dass es die Möglichkeit zur Ergreifung eines Rechtsbehelfes gegen die Zurückweisung gebe. Er trat daraufhin mit dem Rechtsvertreter in Kontakt und wurde neben dem Wiedereinsetzungsantrag eine Maßnahmenbeschwerde gegen die Zurückweisung erhoben. Dem Beschwerdeführer könne kein Verschulden an der Versäumung der Frist zur Erhebung einer Maßnahmenbeschwerde angelastet werden, da er unmittelbar nach Kenntnis von der Möglichkeit einer Erhebung einer Maßnahmenbeschwerde den Rechtsvertreter kontaktiert und die Beschwerde erhoben habe. Der am 13. April 2016 zur Post gegebene Antrag auf Wiedereinsetzung sei im Sinne des Paragraph 33, Absatz 3, Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG) rechtzeitig.
Es wurde beantragt, die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen.
Beigegeben wurde eine Kopie des iranischen Reisepasses und des Informationsblattes des US-amerikanischen Rechtsvertreters des Beschwerdeführers.
2. Mit Schreiben vom 19. Mai 2016 wurde der Landespolizeidirektion Steiermark die Gelegenheit gegeben, zu den Ausführungen des Beschwerdeführers Stellung zu nehmen. Mit Stellungnahme vom 23. Mai 2016 teilte diese mit, dass „im Zeitraum von Anfang Dezember 2015 bis 19.01.2016 in Spielfeld die Umbauarbeiten für das ‚Grenzmanagement neu‘ stattfanden“ und daher bei dem Grenzübergang „mit Sicherheit keine Einreisen von Fremden erfolgt“ seien und damit auch keine Zurückweisungen stattgefunden hätten. Erst am 20. Jänner 2016 sei der Testbetrieb des „Grenzmanagement neu“ in Spielfeld gestartet worden. Es könne ausgeschlossen werden, dass der Beschwerdeführer zu den angegebenen Zeitpunkten Einreiseversuche in das Bundesgebiet unternommen habe.
3. Auf diese Äußerung machte der Beschwerdeführer eine Replik, in der er im Wesentlichen ausführte, dass bereits schon aus den Medienberichten zu ersehen war, dass von der belangten Behörde zu dem vom Beschwerdeführer genannten Zeitraum tatsächlich es zur Einreise von tausenden schutzsuchenden Menschen an der Grenzübergangsstelle Spielfeld gekommen sei. Es wurde sowohl auf einen ORF-Bericht vom 26. Dezember 2015 verwiesen, wonach die Grenzübergangstelle am
29. Dezember 2015 wieder geöffnet werden sollte, als auch auf verschiedene Artikel von Tageszeitungen. Der Beschwerdeführer untermauerte sein Vorbringen durch die Vorlage von Berichten der Tageszeitungen als auch einen abrufbaren Bericht des ORF Steiermark vom 26. Dezember 2015 im Internet.
4. Die Landespolizeidirektion Steiermark gab hiezu in einer Stellungnahme vom
08. September 2016 an, dass nach Überprüfung der Aufzeichnungen durch das Bezirkspolizeikommando Leibnitz es sehr wohl Einreisebewegungen am Grenzübergang Spielfeld gegeben habe. Am 03. Jänner 2016 hätten sich am Grenzübergang Spielfeld – Bundesstraße insgesamt 448 Fremde der Einreisekontrolle gestellt, wobei sämtlichen Fremden die Einreise gestattet worden sei und es zu keiner Zurückweisung an dem Tag gekommen sei. In der darauffolgenden Woche, also vom 04. Jänner 2016 bis zum 10. Jänner 2016, habe es lediglich an drei Tagen Einreisebewegungen gegeben. Hiebei sei es ausschließlich am 04. Jänner 2016 zu Zurückweisungen am Grenzübergang Spielfeld gekommen, am 05. und 06. Jänner 2016 sei es zu keiner einzigen Zurückweisung gekommen. In der Zeit vom 07. Jänner 2016 bis einschließlich
19. Jänner 2016 sei es am Grenzübergang Spielfeld zu keinen Einreisebewegungen von Migranten gekommen, weshalb keine Einreisekontrollen durchgeführt worden seien. Am 04. Jänner 2016 seien jedenfalls 105 Personen am Grenzübergang Spielfeld zurückgewiesen worden. Hiebei seien jedoch die personenbezogenen Daten des Beschwerdeführers nicht enthalten gewesen.
römisch II. 1. Das Gericht geht aufgrund des Ergebnisses der Verhandlung vom
21. September 2016, in der der Zeuge Obstlt. S einvernommen wurde sowie in Anbetracht des Akteninhaltes von nachfolgendem, entscheidungsrelevanten Sachverhalt aus:
Beim Grenzübergang Spielfeld – Bundesstraße sind am 03. Jänner 2016
448 Fremde eingereist und es kam zu keiner Zurückweisung an dem Tag. Am
04. Jänner 2016 kam es zu 105 Zurückweisungen am Grenzübergang und zu
521 Einreisen. Am 05. Jänner 2016 kam es zu 569 Einreisen von Fremden und keiner Zurückweisung und am 06. Jänner 2016 zu 360 Einreisen und zu keiner Zurückweisung. Vom 07. Jänner 2016 bis 19. Jänner 2016 kam es zu keinen Einreisebewegungen von Migranten. Der Beschwerdeführer hat weder am
03. Jänner 2016, noch innerhalb der darauffolgenden Woche den Versuch unternommen, bei der Grenzkontrolle Spielfeld – Bundesstraße in das Bundesgebiet einzureisen.
2. Trotz der vorerst widersprüchlichen Angabe der belangten Behörde – es habe zu den genannten Zeiträumen keine Einreise von Fremden stattgefunden (Stellungnahme vom 23. Mai 2016) – folgt das Gericht den nunmehrigen Angaben der belangten Behörde bezüglich der für den 03. Jänner 2016 und der Zeit danach vorgelegten Zahlen betreffend der Einreise. Obstlt. S gab an, dass am
03. Jänner 2016 keine Zurückweisungen beim täglichen Bericht an das Bundesministerium für Inneres gemeldet wurden, sondern eine Nullmeldung. Ebenso sind die Zahlen für 04., 05. und 06. Jänner 2016 nachvollziehbar, da die Zahlen in einem Bericht festgehalten wurden. Die Namen der Zurückgewiesenen wurden auch in einer Liste beim Bezirkspolizeikommando Leibnitz erfasst und scheint der Name des Beschwerdeführers in dem Zeitraum vom 02. Jänner 2016 bis einschließlich
07. Jänner 2016 nicht auf. Diese Feststellung beinhaltet auch verschiedene Suchvariationen des Namens. Ebenfalls wurden Kopien der Einreiseverweigerungsformulare in dem Zeitraum durchsichtet und es kam ebenfalls kein positives Ergebnis für den Beschwerdeführer heraus.
Das Gericht hält außerdem fest, dass von Seiten des Beschwerdeführers bis auf die versuchte Einreise am 03. Jänner 2016 – eine genaue Uhrzeit wurde nicht genannt – nur sehr vage Angaben kamen. So ist die Ausführung des Beschwerdeführers „am 03. Jänner 2016 und noch drei Male in den ca. sieben darauffolgenden Tagen“ äußerst ungenau. Der Beschwerdeführer hat auch nicht dargetan, ob es noch weitere Zeugen für die Einreiseversuche gab bzw. nähere Umstände des jeweiligen Einreiseversuches. Dem gegenüber schließt sich das Gericht den durchaus nachvollziehbaren und genauen Angaben betreffend der Zurückweisungen, die vom Bezirkspolizeikommando Leibnitz gekommen sind, an.
römisch III. Rechtliche Beurteilung:
Paragraph 33, Absatz eins, VwGVG lautet:
Wiedereinsetzung in den vorigen Stand
Wenn eine Partei glaubhaft macht, dass sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis – so dadurch, dass sie von einer Zustellung ohne ihr Verschulden keine Kenntnis erlangt hat – eine Frist oder eine mündliche Verhandlung versäumt und dadurch einen Rechtsnachteil erleidet, so ist dieser Partei auf Antrag die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen. Dass der Partei ein Verschulden an der Versäumung zur Last liegt, hindert die Bewilligung der Wiedereinsetzung nicht, wenn es sich nur um einen minderen Grad des Versehens handelt.
Da somit dem Antrag auf Wiedereinsetzung aufgrund der nicht festgestellten Zurückweisung des Beschwerdeführers am Grenzübergang Spielfeld keine Legitimation zukommt, war der Antrag auf Wiedereinsetzung zurückzuweisen. Das durchgeführte Verfahren hat ergeben, dass keine Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt durchgeführt wurde und geht damit der Antrag auf Wiedereinsetzung ins Leere.
römisch IV. Die ordentliche Revision ist nicht zulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des Artikel 133, Absatz 4, B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Das Verfahren hat ergeben, dass keine Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt in der Form einer Zurückweisung vorlag, wodurch es an der Beschwerdelegitimation für den Antrag auf Wiedereinsetzung mangelt.
ECLI:AT:LVWGST:2016:LVwG.40.3.1095.2016