OGH
18.10.2022
4Ob110/22p
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Univ.-Prof. Dr. Kodek als Vorsitzenden und die Hofräte Dr. Schwarzenbacher und MMag. Matzka sowie die Hofrätinnen Mag. Istjan, LL.M., und Mag. Fitz als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei G*Gesellschaft mbH, *, vertreten durch Piaty Müller-Mezin Schoeller Rechtsanwälte GmbH & Co KG in Graz, gegen die beklagten Parteien 1. G* Limited, *, 2. Ing. J* K*, 3. S* GmbH, *, alle vertreten durch Dr. Lukas Fantur, Rechtsanwalt in Wien, wegen Unterlassung, Beseitigung, Urteilsveröffentlichung und Feststellung (Gesamtstreitwert 41.700 EUR), über den Rekurs der erstbeklagten Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Graz als Berufungsgericht vom 7. April 2022, GZ 5 R 171/21p-55, mit dem das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Graz vom 12. Juli 2021, GZ 35 Cg 54/20s-50, aufgehoben wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Der Rekurs wird zurückgewiesen.
Die erstbeklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 2.212,20 EUR bestimmten Kosten der Rekursbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Begründung:
[1] Die Streitteile sind im Bereich Gleitbau und Gleitschalungen tätig. Die Klägerin erwarb das Unternehmen einer Insolvenzgesellschaft. U.a. der Zweitbeklagte gründete 2016 die Erstbeklagte. Über das Vermögen des Zweit- und der Drittbeklagten wurde mittlerweile das Insolvenzverfahren eröffnet. Das Verfahren ist gegen beide unterbrochen.
Das Erstgericht wies folgendes Klagebegehren ab:
1. die Erstbeklagte sei gegenüber der Klägerin schuldig, es zu Zwecken des Wettbewerbs zu unterlassen, der Klägerin dem Betrieb ihres Unternehmens dienende Betriebsmittel vorzuenthalten, die im Eigentum der Klägerin stehen oder hinsichtlich derer die Klägerin einen Anspruch auf Verschaffung des Eigentums hat, wie insbesondere die in Beilage ./T, die einen Bestandteil dieses Urteils darstellt, genannten, und/oder diese bei Erbringung ihrer eigenen Leistungen zu verwenden und/oder ähnliche Handlungen zu unterlassen;
2. die Erstbeklagte sei gegenüber der Klägerin schuldig, der Klägerin die Sachen laut Beilage ./T zur Klage, die einen Bestandteil dieses Urteils darstellt, herauszugeben;
3. und 4. Veröffentlichungsbegehren;
5. mit Wirkung zwischen der Klägerin und der Erstbeklagten festzustellen, dass die Erstbeklagte zur ungeteilten Hand mit dem Zweitbeklagten und der Drittbeklagten der Klägerin für sämtliche zukünftige Schäden haftet, die dieser aus der Geschäftspraktik laut Spruchpunkt 1. dieses Urteils resultieren.
[2] Abgesehen vom oben wiedergegebenen unstrittigen Sachverhalt enthielt das erstgerichtliche Urteil keine Sachverhaltsfeststellungen. Rechtlich führte es aus, bei einer Unterlassungsklage müsse die Unterlassungspflicht so deutlich gekennzeichnet sein, dass ihre Verletzung gemäß Paragraph 355, EO exekutiv getroffen werden könne. Die Abgrenzungskriterien seien derart bestimmt anzugeben, dass es zu keiner Verlagerung des Rechtsstreits in das Exekutionsverfahren komme. Aus dem hier zu beurteilenden Unterlassungsbegehren gehe nicht hervor, welche konkreten Gegenstände die Erstbeklagte nicht verwenden dürfe. Diese Prüfung würde dadurch ins Exekutionsverfahren verlagert. Zumal die mit einer Herausgabeklage begehrten Gegenstände so genau wie möglich zu bezeichnen seien, um im Fall einer Zwangsvollstreckung identifiziert werden zu können, sei auch das Beseitigungs-/Herausgabebegehren nicht ausreichend bestimmt. Aufgrund seines Charakters als Nebenanspruch zum Unterlassungs- oder Beseitigungsbegehren bestehe das Veröffentlichungsbegehren nicht zu Recht. Für das auf Geschäftspraktiken „laut Spruchpunkt 1.“ bezogene Feststellungsbegehren würden die Ausführungen zum Unterlassungsbegehren sinngemäß gelten.
[3] Das Berufungsgericht hob dieses Urteil auf und verwies die Rechtssache zur neuerlichen Entscheidung nach Verfahrensergänzung an das Erstgericht zurück. Den Rekurs an den Obersten Gerichtshof ließ es mangels höchstgerichtlicher Rechtsprechung zur Frage der ausreichenden Bestimmtheit eines „quasi-negatorischen“ Anspruchs auf Unterlassung des Vorenthaltens von Betriebsmitteln nach einem Unternehmenskauf zu. Inhaltlich führte das Berufungsgericht aus, dass ein auf Herausgabe „sämtlicher Geschäftsunterlagen“ gerichtetes Klagebegehren ausreichend bestimmt sei. Im vorliegenden Fall bezögen sich alle Klagebegehren auf Betriebsmittel, die im Eigentum der Klägerin stünden oder hinsichtlich derer sie einen Anspruch auf Verschaffung des Eigentums habe und die ihrem Unternehmen dienen, wie insbesondere die in Beilage ./T genannten. Im Zusammenhang mit der Klagserzählung sei ausreichend deutlich erkennbar, dass damit die von der Klägerin mit Unternehmenskaufvertrag von der Insolvenzgesellschaft erstandenen Materialien gemeint seien. Durch den mit der „Insbesondere-Formulierung“ zum Ausdruck gebrachten Verweis auf die Betriebsmittel laut Beilage ./T würden die Begehren zusätzlich konkretisiert. Die Begehren auf Unterlassung, Beseitigung/Herausgabe und Veröffentlichung könnten in der gegebenen Ausgestaltung Grundlage einer Exekution sein und das – nicht vollstreckbare – Feststellungsbegehren sei in Hinsicht auf seinen Zweck, seine Funktion und seine Rechtskraftwirkung inhaltlich und umfänglich ausreichend genau und zweifelsfrei bezeichnet.
[4] In ihrem – von der Klägerin beantworteten – Rekurs macht die Erstbeklagte unter Berufung auf 4 Ob 86/07m geltend, dass dem an ein Herausgabebegehren gestellten Bestimmtheitserfordernis auch dann zu entsprechen sei, wenn dieses als wettbewerbsrechtlicher Unterlassungsanspruch formuliert werde. Der von der Klägerin gebrauchte Gegenstandsbegriff „sämtliche dem Betrieb der Klägerin dienenden Betriebsmittel, die in ihrem Eigentum stehen oder hinsichtlich derer sie einen Anspruch auf Verschaffung des Eigentums hat“ sei zu unbestimmt, woran auch die beispielhafte Umschreibung („insbesondere“) nichts ändere.
[5] Damit zeigt die Erstbeklagte keine erhebliche Rechtsfrage auf. Der Rekurs ist daher, ungeachtet des – den Obersten Gerichtshof nicht bindenden – Zulassungsausspruchs des Berufungsgerichts, nicht zulässig und somit zurückzuweisen. Die Zurückweisung des ordentlichen Rechtsmittels kann sich auf die Ausführung der Zurückweisungsgründe beschränken (Paragraph 510, Absatz 3, ZPO).
[6] 1.1. Gemäß Paragraph 226, Absatz eins, ZPO hat die Klage ein bestimmtes Begehren zu enthalten. Ein bestimmtes Begehren hat zur Voraussetzung, dass ihm der Gegenstand, die Art, der Umfang und die Zeit der geschuldeten Leistung oder Unterlassung zu entnehmen ist vergleiche RS0000466 [T2]). Die Unterlassungspflicht muss so deutlich gekennzeichnet sein, dass ihre Verletzung gemäß Paragraph 355, EO exekutiv getroffen werden kann vergleiche RS0000878 [T1]).
[7] 1.2. Das Klagebegehren ist so zu verstehen, wie es im Zusammenhalt mit der Klagserzählung vom Kläger gemeint ist vergleiche RS0037440 [T4]). Maßgebend ist also nicht allein der Wortlaut des Klagebegehrens, sondern auch der Inhalt der Prozessbehauptungen (RS0041078; RS0041165; RS0041254).
[8] 1.3. Eine jeden Zweifel und jede objektive Ungewissheit ausschließende Präzisierung des Klagebegehrens ist nur bei Geldleistungsklagen zu verlangen; bei anderen Klagen ist dem Erfordernis des Paragraph 226, ZPO hinsichtlich der Bestimmtheit des Klagebegehrens jedenfalls dann genüge getan, wenn man unter Berücksichtigung des Sprachgebrauchs und Ortsgebrauchs und nach den Regeln des Verkehrs daraus entnehmen kann, was begehrt ist (RS0037874).
[9] 1.4. Beim Erfordernis der Bestimmtheit des Klagebegehrens als Voraussetzung für einen tauglichen Exekutionstitel handelt es sich um eine prozessuale Klagevoraussetzung, deren Vorhandensein von Amts wegen auch noch im Rechtsmittelverfahren zu prüfen ist (RS0037469).
[10] 1.5. Welche Anforderungen an die Konkretisierung des Klagebegehrens zu stellen sind, hängt von den Besonderheiten des anzuwendenden materiellen Rechts und von den Umständen des Einzelfalls ab vergleiche RS0037874 [T33, T39]; RS0037734 [T3]; RS0037671). Es ist deshalb keine erhebliche Rechtsfrage iSd Paragraph 528, Absatz eins, ZPO, ob ein Unterlassungsgebot im Einzelfall zu weit oder zu eng gefasst wurde (4 Ob 287/02p ua; RS0037671 [T5]).
[11] 1.6. Ein Unterlassungsgebot hat sich in seinem Umfang stets an dem konkreten Wettbewerbsverstoß zu orientieren sowie – um Umgehungen durch den Verpflichteten nicht allzu leicht zu machen – auf ähnliche Fälle einzuengen vergleiche RS0037645 [T13]). Bei Unterlassungsansprüchen ist allerdings eine gewisse allgemeine Fassung des Begehrens in Verbindung mit Einzelverboten erforderlich (RS0037607; Kodek/Leupold in Wiebe/Kodek, UWG2 Paragraph 24, Rz 83).
[12] 1.7. So wurde etwa das Begehren auf Herausgabe „sämtlicher Geschäftsunterlagen“ (1 Ob 1052/52 = SZ 26/8; RS0037512, RS0037874 [T12]) oder ein Klagebegehren des Inhalts „Von der Firma T dem Antragsgegner anlässlich der Verpachtung seines Unternehmens übergebene und bei ihm verwahrte Rohstoffe, Betriebsmittel, Halbfertigwaren und Fertigwaren“ zur Konkretisierung eines Warenlagers für hinreichend bestimmt erachtet (RS0037874 [T17]).
[13] 1.8. Besteht eine unlautere Handlung im Unterlassen eines gesetzlich gebotenen Verhaltens, so begründet dies einen „quasi-negatorischen“ Anspruch auf Abwendung eines durch (auch zukünftige) Untätigkeit verursachten wettbewerbswidrigen Zustands, also um einen Erfolgsabwendungsanspruch, der sich aus Paragraph eins, Absatz eins, Ziffer eins, UWG ergibt (4 Ob 229/08t = SZ 2009/32). Die ständige Rechtsprechung unterstellt titelmäßige Verpflichtungen, die letztlich auf ein Erfolgsverbot gerichtet sind, selbst dann, wenn vom Titelschuldner aktive Abhilfemaßnahmen gefordert werden, in weiterer Auslegung des Paragraph 355, EO der Exekution zur Erwirkung von Duldungen und Unterlassungen (3 Ob 54/11d mwN; RS0004649 [T4]).
[14] 2.1. Soweit die Erstbeklagte in ihrem Rekurs beanstandet, dass das vorliegende wettbewerbsrechtliche Unterlassungsbegehren im Sinne eines Verwendungsverbots nicht den gebotenen Bestimmtheitserfordernissen eines Herausgabebegehrens entspreche, übersieht sie, dass sich das Berufungsgericht bei Bejahung der ausreichenden Bestimmtheitserfordernisse im Rahmen der oben zitierten Judikatur bewegt. Die Beurteilung des Berufungsgerichts ist daher vertretbar, zumal sich die Klagebegehren auf Betriebsmittel beziehen, die im Eigentum der Klägerin stehen oder hinsichtlich der sie einen Anspruch auf Verschaffung des Eigentums hat und die ihrem Unternehmen dienen, wie insbesondere die in Beilage ./T genannten, und im Zusammenhang mit der Klagserzählung deutlich erkennbar ist, dass damit die von der Klägerin mit Unternehmenskaufvertrag von der Insolvenzgesellschaft erstandenen Materialien gemeint sind. Durch den Verweis auf Beilage ./T werden die Begehren zusätzlich konkretisiert.
[15] 2.2. Wenn nun die Erstbeklagte erstmals moniert, für den unbestimmten Begriff „Betriebsmittel“ bestehe kein allgemein übliches Verständnis, unterliegt sie dem Neuerungsverbot. Ungeachtet dessen ist ihr zu entgegnen, dass sogar der Gesetzgeber die Existenz dieses Begriffs anerkennt und ihn in zahlreichen Rechtsvorschriften verwendet vergleiche etwa Paragraph 32, Absatz eins, Ziffer 3, GewO oder Paragraph 4, Absatz 3, ArbIG).
[16] 2.3. Die im Rekurs zitierte Entscheidung 4 Ob 86/07m ist mit dem vorliegenden Fall nicht deckungsgleich. Bei der dort zu beurteilenden Formulierung „Akten, die vor dem 1. Jänner 2006 aus bestimmten Kanzleiräumlichkeiten entfernt wurden“ war für die dort Gefährdete nämlich klärbar, um welche Akten (welche Klienten und Sachverhalte betreffend) es sich im Einzelnen handelte, sodass ihr bestimmte Angaben auch zumutbar waren. Hingegen handelt es sich bei den gegenständlichen Materialien um Baumaterialien, die in großer Masse produziert werden und für die eine entsprechende Individualisierung nicht möglich bzw tunlich ist.
[17] 2.4. Zusammenfassend ist die Rechtsansicht des Berufungsgerichts nicht zu beanstanden, wonach die Begehren auf Unterlassung, Beseitigung/Herausgabe und Veröffentlichung in der gegebenen Ausgestaltung Grundlage einer Exekution sein können und das nicht vollstreckbare Feststellungsbegehren in Hinsicht auf seinen Zweck, seine Funktion und seine Rechtskraftwirkung inhaltlich und umfänglich ausreichend genau und zweifelsfrei bezeichnet sind.
[18] 3. Die Entscheidung über die Kosten des Rekursverfahrens beruht auf den Paragraphen 41,, 50 ZPO. Die Klägerin hat auf die Unzulässigkeit des Rekurses hingewiesen.
ECLI:AT:OGH0002:2022:0040OB00110.22P.1018.000