OGH
25.03.2014
9ObA16/14i
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsrekursgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Hopf als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Kuras und Dr. Hargassner als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden und gefährdeten Partei H***** GmbH, *****, vertreten durch Stanek Raidl Konlechner Rechtsanwälte OG in Wien, gegen die beklagte Partei und Gegner der gefährdeten Partei P***** H*****, vertreten durch Dr. Lukas Fantur, Rechtsanwalt in Wien, wegen Herausgabe, Unterlassung (70.000 EUR) und einstweiliger Verfügung (65.000 EUR), über den außerordentlichen Revisionsrekurs der beklagten und Gegner der gefährdeten Partei (5.000 EUR) gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Wien als Rekursgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 3. Jänner 2014, GZ 9 Ra 119/13f-18, womit dem Rekurs der klagenden und gefährdeten Partei gegen den Beschluss des Arbeits- und Sozialgerichts Wien vom 5. November 2013, GZ 38 Cga 118/13w-12, Folge gegeben wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.
Der angefochtene Beschluss des Rekursgerichts wird dahin abgeändert, dass die Entscheidung des Erstgerichts, mit der der Sicherungsantrag zu römisch eins. 1. (Herausgabe) abgewiesen wurde, wiederhergestellt wird.
Die klagende und gefährdete Partei hat ihre Kosten des Provisorialverfahrens aller drei Instanzen endgültig selbst zu tragen.
Die klagende und gefährdete Partei ist schuldig, der beklagten Partei und Gegner der gefährdeten Partei die mit 1.360,26 EUR (darin 226,71 EUR USt) bestimmten Kosten des Verfahrens erster Instanz, die mit 373,68 EUR (darin 62,28 EUR USt) bestimmten Kosten des Rekursverfahrens und die mit 447,98 EUR (darin 74,66 EUR USt) bestimmten Kosten des Revisionsrekursverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Entscheidungsgründe:
Die Klägerin und gefährdete Partei (kurz: Klägerin) ist ein in Österreich ansässiges Textilreinigungsunternehmen, das ihr operatives Geschäft in der Slowakei betreibt. Gesellschafter der Klägerin sind der Beklagte und Gegner der gefährdeten Partei (kurz: Beklagter) zu 38 %, dessen Ehefrau zu 12 % und dessen Bruder R***** H***** sen zu 50 %. Alleinige Geschäftsführerin ist Mag. B***** H*****, die Ehefrau des R***** H***** sen.
Der Beklagte war seit 1991 Angestellter der Klägerin bzw deren Rechtsvorgängerin und aufgrund der Entsendungsvereinbarung vom 1. 3. 2012 bei der H***** s.r.o. (kurz: H*****), einer Gesellschaft mit Sitz in der Slowakei, als Betriebsleiter tätig. Bereits bei Aufnahme der Tätigkeit des Klägers bei der H***** befanden sich die notwendigen Unterlagen vor Ort. Alleinige Gesellschafterin der H***** ist die Klägerin. Von 2009 bis Februar 2012 war der Beklagte Alleingeschäftsführer der H*****, seit März 2013 ist auch R***** H***** sen Geschäftsführer.
Die H***** kooperierte auf Basis eines Dienstleistungsvertrags mit der slowakischen Gesellschaft H***** & H***** s.r.o. (kurz: H&H), deren Alleingeschäftsführer der Beklagte ist. Gesellschafter sind der Beklagte und R***** H***** sen zu je 50 %. Die H&H ist Eigentümerin der Maschinen.
Die Immobilien stehen im Eigentum der slowakischen Gesellschaft E***** s.r.o. (kurz: E*****), der Komplementärin der slowakischen KG E***** k.s. Alleingeschäftsführer der E***** ist wiederum der Beklagte, Gesellschafter sind der Beklagte und R***** H***** sen zu je 50 %.
Die H***** hatte von der H&H die Maschinen und von der E***** die Immobilien angemietet.
Am 28. 8. 2013 wurde der Beklagte von der Klägerin ohne vorherige Durchführung einer Gesellschafterversammlung als Geschäftsführer der H***** abberufen und es wurden zwei andere Geschäftsführer bestellt.
Anlässlich einer Mitarbeiterversammlung in Anwesenheit am 3. 9. 2013 erfuhr der Beklagte erstmals von R***** H***** sen und den beiden neuen Geschäftsführern von seiner Abberufung. Nachdem er darauf empört und wütend reagierte, sprach R***** H***** sen im Namen der Geschäftsführerin der Klägerin gegenüber dem Beklagten die Entlassung aus.
Der Beklagte hat Zugang zu allen Geschäftsunterlagen der H*****, weigerte sich in der Folge jedoch mehrmals, der Klägerin die Schlüssel sowie die Geschäftsunterlagen der H***** herauszugeben. Er war der Meinung, dass seine Abberufung ungültig und seine Entlassung unwirksam wäre. Die Geschäftsunterlagen der H***** befinden sich in drei Zimmern im Bürogebäude der H*****, und zwar im Büro des Beklagten, in dem er für alle vier genannten slowakischen Gesellschaften tätig ist, im Büro der Buchhalterin und in einem weiteren von ihm versperrten Zimmer. Seine Abberufung als Geschäftsführer bekämpft der Beklagte vor einem slowakischen, seine Entlassung vor einem österreichischen Gericht.
Für die neuen Geschäftsführer der H***** gestaltet sich der Kontakt mit den Kunden schwierig, weil sie nicht auf die Kalkulations- und Preisunterlagen zugreifen können. R***** H***** sen kann aus diesem Grund weder im Namen der Klägerin noch im Namen der H***** Offerte an Kunden legen.
Die Klägerin begehrt mit ihrer Klage die Herausgabe der Schlüssel zu den Geschäftsräumlichkeiten der H*****, die Herausgabe der (näher bezeichneten) Geschäftsunterlagen der H***** sowie die Unterlassung, Gesellschafter/Organe/Mitarbeiter der Klägerin am Zutritt zu Geschäftsräumlichkeiten der H***** zu hindern und/oder Dritte dazu zu bestimmen. Die Klägerin beantragte auch die Erlassung einer einstweiligen Verfügung, die inhaltlich dem Herausgabebegehren hinsichtlich der (näher bezeichneten) Geschäftsunterlagen und dem Unterlassungsbegehren entspricht. Als Arbeitgeberin des Beklagten habe sie Anspruch auf Herausgabe der Geschäftsunterlagen der H*****, die der Beklagte als ehemaliger Geschäftsführer in seinem Besitz habe. Nach Beendigung des Dienstverhältnisses habe er kein Recht mehr, diese zu behalten.
Der Beklagte bestritt, beantragte die Abweisung der Klage und des Antrags auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung. Soweit im Revisionsrekursverfahren relevant, wandte er ein, dass die Klägerin nicht aktiv klagslegitimiert sei, weil die geltend gemachten Ansprüche der H***** zustünden; diese sei Eigentümerin der Geschäftsunterlagen.
Das Erstgericht wies beide Sicherungsanträge ab. Der Herausgabeanspruch sei nicht gefährdet, weil die Klägerin gar nicht vorgebracht habe, dass die Gefahr bestünde, der Beklagte würde die Geschäftsunterlagen vernichten oder verbringen.
Das Rekursgericht gab dem nur hinsichtlich der Herausgabe erhobenen Rekurs der Klägerin Folge und erließ hinsichtlich der Herausgabe der Geschäftsunterlagen die beantragte einstweilige Verfügung. Da die Abberufung des Beklagten nach slowakischem Recht auch im Innenverhältnis wirksam sei, müsse der Beklagte die Geschäftsunterlagen an die Klägerin herausgeben. Wegen des drohenden Kundenverlusts drohe der Klägerin auch ein unwiederbringlicher Schaden. Auf die Gefährdung des Herausgabeanspruchs komme es daher nicht an. Der ordentliche Revisionsrekurs sei mangels Vorliegens der Voraussetzungen des Paragraph 502, Absatz eins, ZPO nicht zulässig.
In seinem gegen die Erlassung des Sicherungsantrags gerichteten Revisionsrekurs beantragt der Beklagte, den angefochtenen Beschluss im Sinne einer Wiederherstellung der antragsabweisenden Entscheidung des Erstgerichts wiederherzustellen.
Die Klägerin beantragt in der ihr freigestellten Revisionsrekursbeantwortung, den Revisionsrekurs zurückzuweisen, hilfsweise ihm keine Folge zu geben.
Der Revisionsrekurs ist zulässig und berechtigt.
Im Revisionsrekursverfahren ist ausschließlich die Frage strittig, ob die Klägerin gegenüber dem Beklagten Anspruch auf Sicherung der Herausgabe der Geschäftsunterlagen der H***** habe. Die Klägerin hat diesen Anspruch im erstinstanzlichen Verfahren auf den zwischen ihr und dem Beklagten bestandenen Arbeitsvertrag gestützt.
Der Beklagte hält dem in seinem Revisionsrekurs zutreffend entgegen, dass die Klägerin als ehemalige Arbeitgeberin von ihm nicht die Herausgabe von Unterlagen begehren könne, die nicht ihr, sondern der H*****, also einer dritten Person gehörten. Dem Beklagten waren die Geschäftsunterlagen der H***** auch nicht von der Klägerin zur Verfügung gestellt worden, sondern diese hatten sich bei Beginn seiner Tätigkeit als Betriebsleiter und Geschäftsführer der H***** schon vor Ort befunden. Bei Bejahung der Sicherung des geltend gemachten Herausgabeanspruchs würde - ohne dass die Klägerin dafür eine Anspruchsgrundlage benennen kann - in die Rechte der H***** an den Unterlagen eingegriffen werden. Dass die Klägerin Alleingesellschafterin der H***** ist, vermag an dieser Beurteilung nichts zu ändern, weil es sich bei der Klägerin und der H***** um verschiedene juristische Personen handelt. Insofern kommt es auch nicht darauf an, ob der H***** bei Bejahung des Sicherungsanspruchs auf Herausgabe der Geschäftsunterlagen ein Nachteil entstünde. Andere Rechtsgründe als den Arbeitsvertrag mit dem Beklagten, die einen materiellen Herausgabeanspruch der Klägerin begründeten, wurden von der Klägerin nicht behauptet. Das in der Revisionsrekursbeantwortung in diesem Zusammenhang von der Klägerin vorgetragene Argument, die Verpflichtung zur Ausfolgung der im Rahmen eines Dienstverhältnisses zur Verfügung gestellten Betriebsmittel und Sachen „entspringe dem Wesen der Beendigung des Dienstverhältnisses“, ist nicht geeignet, eine Anspruchsgrundlage für die Herausgabe der Unterlagen eines Dritten, die dem Beklagten auch nicht von der Klägerin übergeben worden waren, zu schaffen.
Dem Revisionsrekurs des Beklagten ist daher Folge zu geben und der Beschluss des Erstgerichts, mit dem auch der noch strittige Sicherungsantrag abgewiesen wurde, wiederherzustellen.
Die Entscheidung über die Kosten des Verfahrens gründet sich auf Paragraphen 41,, 50 ZPO in Verbindung mit Paragraph 393, EO. Der Streitwert für das Sicherungsverfahren in erster Instanz beträgt 65.000 EUR, jener für die zweite und dritte Instanz 5.000 EUR. Für die Äußerung ON 3 gebührt ein ERV-Zuschlag von 1,80 EUR, weil es sich nicht um einen verfahrenseinleitenden Schriftsatz handelt. Für die Äußerung zur Gegenäußerung (ON 8) hat der Beklagte keinen Kostenersatzanspruch. Diese Äußerung wurde vom Erstgericht nicht zugelassen vergleiche dazu Obermaier, Kostenhandbuch² Rz 522 mwN). Die Teilnahme an der Bescheinigungstagsatzung am 31. 10. 2013 (ON 9) hat bereits das Erstgericht - vom Beklagten unbekämpft geblieben - als zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung nicht notwendig beurteilt.
ECLI:AT:OGH0002:2014:009OBA00016.14I.0325.000