Gericht

OGH

Entscheidungsdatum

20.03.2013

Geschäftszahl

6Ob181/12d

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Pimmer als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schramm, Dr. Gitschthaler, Univ.-Prof. Dr. Kodek und Dr. Nowotny als weitere Richter in der Firmenbuchsache der im Firmenbuch des Landesgerichts Klagenfurt zu FN ***** eingetragenen F***** GesmbH mit dem Sitz in K*****, vertreten durch Dr. Lukas Fantur, Rechtsanwalt in Wien, über den ordentlichen Revisionsrekurs der Gesellschaft gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Graz als Rekursgericht vom 18. Juli 2012, GZ 4 R 157/12h-4, womit der Beschluss des Landesgerichts Klagenfurt vom 22. Mai 2012, GZ 5 Fr 7876/11w-1, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Text

Begründung:

Eine Gesellschafterin klagte die Gesellschaft auf Feststellung, dass sie die übernommene Stammeinlage zur Gänze geleistet habe, und auf Unterlassung, den Ausschluss der Gesellschafterin aus der Gesellschaft gemäß Paragraph 66, Absatz 2, GmbHG zu erklären. Das Prozessgericht verbot der Gesellschaft mit einstweiliger Verfügung vom 19. 12. 2011, die Gesellschafterin durch Erklärung gemäß Paragraph 66, Absatz 2, GmbHG aus der Gesellschaft auszuschließen.

Das Prozessgericht übermittelte dem Erstgericht eine Ausfertigung der einstweiligen Verfügung „zur Einsicht und Kenntnis/allfälligen Prüfung des Firmenbuchstandes gemäß Paragraph 13, Absatz eins, FBG“. Mit Beschluss vom 21. 12. 2011 bewilligte das Erstgericht die Eintragung des mit der einstweiligen Verfügung ausgesprochenen Verbots in das Firmenbuch bei der klagenden Gesellschafterin. Die Eintragung wurde am 22. 12. 2011 vollzogen. Über Rekurs der Gesellschaft hob das Rekursgericht mit Beschluss vom 7. 3. 2012 diesen Beschluss ersatzlos auf. Der Vollzug der Entscheidung oblag dem Erstgericht.

Mit Beschluss vom 22. 5. 2012 löschte das Erstgericht die Anmerkung der einstweiligen Verfügung im Firmenbuch. Dem rechtsanwaltlichen Vertreter der Gesellschaft teilte es mit dem Beschluss mit, dass eine Löschung einer gelöschten Eintragung aus dem historischen Firmenbuch - laut Mitteilung des Bundesrechen-
zentrums - nicht möglich sei.

Die klagende Gesellschafterin hat ihren Geschäftsanteil an der Gesellschaft mit Notariatsakt vom 25. 4. 2012 an einen Mitgesellschafter übertragen. Das Erstgericht trug den Gesellschafterwechsel aufgrund der Anmeldung des Geschäftsführers der Gesellschaft mit Beschluss vom 1. 6. 2012 in das Firmenbuch ein. Dem Antrag entsprechend wurde die Gesellschafterin im Firmenbuch gelöscht.

Mit dem angefochtenen Beschluss gab das Rekursgericht dem Rekurs der Gesellschaft gegen den Beschluss des Erstgerichts vom 22. 5. 2012 nicht Folge. Aufgabe des Firmenbuchs sei es, die grundlegenden Tatsachen und Rechtsverhältnisse vor allem der vollkaufmännischen Unternehmen zu beurkunden und öffentlich einsichtig zu machen. Die Offenlegung diene sowohl dem Interesse der Allgemeinheit als auch demjenigen des eingetragenen Rechtsträgers. Zweck des Firmenbuchs sei nicht primär der Schutz aller möglichen Rechte von Dritten, sondern die Offenlegung von erheblichen Tatsachen und Rechtsverhältnissen der im Einzelnen vorgesehenen Rechtsträger im Interesse dieser und anderer Rechtsträger selbst sowie der Öffentlichkeit. Gemäß Paragraph 31, FBG seien zu löschende Eintragungen in der Datenbank des Firmenbuchs entsprechend zu kennzeichnen und müssten weiter abfragbar bleiben. Gelöschte Eintragungen würden gemäß Paragraph 33, Absatz 4, FBG nur auf besonderen Antrag in den Firmenbuchauszug aufgenommen. Paragraph 32, Absatz eins, FBG sehe vor, dass in die Eintragung ein Verweis auf den zu Grunde liegenden Gerichtsbeschluss und das Datum des Vollzugs der Eintragung aufzunehmen sei. Nach dem Vollzug dürften Eingabefehler nur noch im Verfahren nach Paragraph 26, FBG berichtigt werden (Paragraph 32, Absatz 2, FBG). Eine Löschung eingetragener Daten in dem Sinn, dass diese Dateien gänzlich entfernt werden, sei - sofern das programmtechnisch überhaupt möglich sein sollte - im Bereich der auch im öffentlichen Interesse geführten Bücher (Grundbuch; Firmenbuch) im Gesetz nicht vorgesehen und liefe der ausdrücklichen Vorschrift des Paragraph 31, FBG zuwider. Eine Vernichtung von Daten werde an keiner Stelle angeordnet. Es bestehe kein Anspruch auf Löschung historischer Daten im Firmenbuch. Das Gesetz sehe bloß Berichtigungen von Schreibfehlern und anderen offenbaren Unrichtigkeiten einer Eintragung auf Antrag oder von Amts wegen vor (Paragraph 26, Absatz eins, FBG). Nach Paragraph 10, Absatz 2, FBG könne das Gericht, wenn eine Eintragung in das Firmenbuch wegen Mangels einer wesentlichen Voraussetzung unzulässig sei oder werde, diese von Amts wegen löschen. Unzulässig sei eine Eintragung insbesondere dann, wenn sie sachlich unrichtig sei oder wenn gesetzliche Erfordernisse für die Eintragung fehlten, deren Mangel die Beseitigung im öffentlichen Interesse oder im Interesse der Beteiligten geboten erscheinen lasse. Gelöscht werden könnten nach dem klaren Gesetzeswortlaut auch von Anfang an unzulässige bzw unrichtige Eintragungen (RIS-Justiz RS0121185; 6 Ob 132/07s). Die Löschung nach Paragraph 10, Absatz 2, FBG wirke nicht zurück. Auch nach dieser Bestimmung gelöschte Eintragungen müssten im ADV-Firmenbuch - mit einer entsprechenden Kennzeichnung -
weiterhin abfragbar bleiben. Für eine teleologische Reduktion des Paragraph 31, FBG in dem von der Rechtsmittelwerberin gewünschten Sinn bleibe hier kein Raum. Die Korrektur einer möglicherweise unbefriedigenden Rechtslage sei keine im Zug der Auslegung zu erledigende Aufgabe; sie müsse dem Gesetzgeber vorbehalten bleiben. Da die Verschiebung einer gelöschten Eintragung in den historischen Datenbestand im Gesetz zwingend vorgesehen sei, gehe das Argument der Rechtsmittelwerberin, damit werde der durch die Anmerkung der einstweiligen Verfügung verwirklichte Verstoß gegen die Verpflichtung zur Amtsverschwiegenheit perpetuiert, ins Leere. Mit der Entscheidung des Rekursgerichts vom 7. 3. 2012 sei der von Amts wegen gefasste Eintragungsbeschluss des Erstgerichts in dem Sinn ersatzlos aufgehoben worden, dass diesbezüglich keine andere Entscheidung zu erfolgen habe. Der Vollzug dieses Beschlusses durch Löschung der Eintragung aus dem aktuellen Datenbestand des Hauptbuches und Verschiebung in den historischen Datenbestand verstoße daher nicht gegen den Grundsatz ne bis in idem und begründe keine Nichtigkeit.

Das Rekursgericht sprach aus, dass der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei, weil Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zur Frage fehle, ob eine ohne gesetzliche Grundlage erfolgte Eintragung im Firmenbuch auch aus dem historischen Datenbestand zu löschen sei.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs der Gesellschaft ist aus dem vom Rekursgericht genannten Grund zwar zulässig; er ist aber nicht berechtigt.

Der Oberste Gerichtshof erachtet die Begründung des Rekursgerichts für zutreffend, sodass auf deren Richtigkeit verwiesen werden kann (Paragraph 71, Absatz 3, AußStrG).

Gemäß Paragraph 31, FBG sind zu löschende Eintragungen in der Datenbank des Firmenbuchs entsprechend zu kennzeichnen und müssen weiter abfragbar bleiben. Gelöschte Eintragungen werden nur auf besonderen Antrag in den Auszug aus dem Firmenbuch aufgenommen (Paragraph 33, Absatz 4, FBG). Der Wortlaut des Paragraph 31, FBG ist eindeutig. Gelöschte Eintragungen müssen in der Firmenbuchdatenbank weiter abfragbar bleiben („historische Daten“). Sie sind daher nicht physisch zu löschen (6 Ob 164/99g; 6 Ob 235/03g, SZ 2004/62; RIS-Justiz RS0112549), sondern nur entsprechend zu kennzeichnen. Dazu wird das Zeichen „#“ verwendet; dies entspricht der „Rötung“ im früheren Handelsregister. Offenkundiger Zweck des Paragraph 31, FBG ist die Erhaltung des historischen Datenbestands. Die Norm ist Ausdruck des Grundsatzes der Richtigkeit und Vollständigkeit des Firmenbuchs, wozu auch bereits gelöschte Daten gehören (6 Ob 235/03g). Vor dem Hintergrund des Paragraph 10, Absatz 2, FBG, der die amtswegige Löschung auch von nicht Eintragungsfähigem umfasst (6 Ob 156/06v; 6 Ob 132/07s; 6 Ob 253/08s; Zib in Zib/Dellinger, UGB Paragraph 10, FBG Rz 7; Burgstaller/Pilgerstorfer in Jabornegg/Artmann, UGB I² Paragraph 10, FBG Rz 7; G. Kodek in Kodek/Nowotny/Umfahrer, FBG Paragraph 10, Rz 22), wird deutlich, dass der Gesetzgeber zu einem physischen oder logischen Löschen (dh der Verhinderung des Zugriffs auf Daten durch programmtechnische Maßnahmen [Dohr/Pollirer/Weiss/Knyrim, DSG 2000 Paragraph 27, Anmerkung 19]) von Daten, die nicht in das Firmenbuch einzutragen waren, nicht ermächtigt.

Eine teleologische Reduktion einer Norm setzt stets den Nachweis voraus, dass eine umschreibbare Fallgruppe von den Grundwertungen oder Zwecken des Gesetzes entgegen seinem Wortlaut gar nicht getroffen wird und dass sie sich von den „eigentlich gemeinten“ Fallgruppen soweit unterscheidet, dass die Gleichbehandlung sachlich ungerechtfertigt und willkürlich wäre (6 Ob 617/85, SZ 60/98; RIS-Justiz RS0008979; RS0106113; F. Bydlinski in Rummel, ABGB³ Paragraph 7, Rz 7). Dieser Nachweis gelingt der Rechtsmittelwerberin nicht. Sie meint, gehe - wie hier - mit der rechtsgrundlosen Eintragung einer Tatsache in das Firmenbuch eine Verletzung der (verfassungsgesetzlich und strafrechtlich geschützten) Amtsverschwiegenheit einher, so werde dieser Schutz ausgehebelt, wenn die „Löschung“ dieser Eintragung weiterhin im historischen Firmenbuch ersichtlich sei. Niemand würde ernstlich vertreten, dass bei einem Gesellschafter oder einem Geschäftsführer im Firmenbuch unzulässig eingetragene sensible Daten im Sinn des Paragraph 4, Ziffer 2, DSG 2000, Vorstrafen oder vermeintliche negative Charaktereigenschaften trotz der angeordneten Löschung dieser Daten weiterhin im historischen Firmenbuch ersichtlich sind. Es wurde schon dargelegt, dass der Zweck des Paragraph 31, FBG sich nicht darauf beschränkt, in den abfragbaren historischen Datenbestand nur ursprünglich zulässige Eintragungen aufzunehmen, auf welche die Rechtsmittelwerberin die Norm beschränken will.

Unzutreffend ist die Behauptung der Rechtsmittelwerberin, die angefochtene Entscheidung des Rekursgerichts verstoße gegen die Rechtskraft des Beschlusses des Rekursgerichts vom 7. 3. 2012, denn die Entfernung der für rechtsgrundlos erkannten Eintragung aus dem Bestand der historischen Daten, deren Grundlage (Eintragungsbeschluss) mit der Rekursentscheidung ersatzlos behoben wurde, ordnete das Rekursgericht nicht an.