Gericht

Bundesverwaltungsgericht

Entscheidungsdatum

31.01.2023

Geschäftszahl

W258 2256074-1

Spruch


W258 2256074-1/6E

BESCHLUSS

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Gerold PAWELKA-SCHMIDT als Vorsitzenden und die fachkundigen Laienrichter Dr. Gerd TRÖTZMÜLLER und Gerhard RAUB als Beisitzer über die Beschwerde der römisch 40 , mit Sitz römisch 40 gegen den Bescheid der Datenschutzbehörde vom römisch 40 GZ römisch 40 im Umlaufwege in einer datenschutzrechtlichen Angelegenheit beschlossen:

A) Das Verfahren wird infolge Klaglosstellung der Beschwerdeführerin eingestellt und die Beschwerde als gegenstandslos erklärt.

B) Die Revision ist gemäß Artikel 133, Absatz 4, B-VG nicht zulässig.


Text


Entscheidungsgründe:

römisch eins. Verfahrensgang:

1. Mit E-Mail vom 06.04.2022 beantragte die Beschwerdeführerin ein Verfahren zur vorherigen Konsultation gemäß Artikel 36, DSGVO und ersuchte die belangte Behörde um Entscheidung, ob bzw. unter welchen Umständen die im COVID-19-Impfpflichtgesetz, Bundesgesetzblatt Teil eins, Nr.4 aus 2022, in der Fassung Bundesgesetzblatt Teil eins, Nr. 22 aus 2022, (im Folgenden: COVID-19-IG) vorgesehenen Verarbeitungstätigkeiten im Einklang mit der DSGVO durchgeführt werden könnten. So werde sie durch das COVID-19-IG zu Verarbeitungstätigkeiten als datenschutzrechtlich Verantwortliche, nämlich zur personenbezogenen Verarbeitung der generellen COVID-19-Impfpflicht im Zentralen Impfregister sowie zur Übermittlung von Impfdaten und Ausnahmen an den Gesundheitsminister (unter anderem damit Strafen gegenüber Nichtgeimpften verhängt werden können) verpflichtet. Nach Durchführung einer internen Datenschutz-Folgenabschätzung sei sie zu dem Ergebnis gelangt, dass die Verarbeitungstätigkeiten mit einem hohen datenschutzrechtlichen Risiko für die betroffenen Personen verbunden seien. Gleichzeitig äußerte die Beschwerdeführerin verfassungs- und unionsrechtliche Bedenken am COVID-19-IG. Dem Antrag lag eine hierzu von der Beschwerdeführerin durchgeführte Datenschutz-Folgenabschätzung bei.

2. Mit Bescheid vom 21.04.2022 wies die belangte Behörde den Antrag auf vorherige Konsultation nach Artikel 36, DSGVO zurück. Begründend führte sie im Wesentlichen aus, dass eine behauptete Verfassungs- oder Unionsrechtswidrigkeit eines Gesetzes nicht Gegenstand eines Konsultationsverfahrens nach Artikel 36, DSGVO sein könne, weshalb die Voraussetzungen für eine vorherige Konsultation nach Artikel 36, DSGVO nicht vorlägen. Die Kompetenz, über die Verfassungswidrigkeit eines Gesetzes zu entscheiden, obläge allein dem Verfassungsgerichtshof und nicht der Aufsichtsbehörde und die belangte Behörde sei nicht berechtigt, die monierte Rechtswidrigkeit als Vorfrage prüfen zu lassen.

3. Gegen diesen Bescheid richtet sich die per E-Mail am 18.05.2022 bei der belangten Behörde eingelangte Beschwerde. Darin führt die Beschwerdeführerin zusammengefasst aus, dass die belangte Behörde für eine vorherige Konsultation sehr wohl zuständig sei und sie die Beschwerdeführerin mit der Zurückweisung in ihrem Recht auf den gesetzlichen Richter verletze. Das Interesse der Beschwerdeführerin an einer Konsultation durch die belangte Behörde bestehe ua in der Abwendung eines existenzbedrohenden Haftungsrisikos, weil im Falle eines Verstoßes gegen die DSGVO mit einer umfangreichen Geltendmachung von Schadenersatzansprüchen zu rechnen sei. Die Beschwerdeführerin beantragte eine mündliche Verhandlung durchzuführen und den Bescheid ersatzlos zu beheben.

4. Die belangte Behörde legte die Beschwerde unter Anschluss des Verwaltungsakts mit Schriftsatz vom 09.06.2022, hg eingelangt am selben Tag, vor und beantragte die Beschwerde abweisen.

5. Mit Bundesgesetzblatt römisch eins. Nr 131 aus 2022, wurde das COVID-19-IG aufgehoben.

6. Mit hg Schreiben vom 29.07.2022 wurde die Beschwerdeführerin aufgefordert, binnen sieben Tagen bekanntzugeben, inwiefern vor dem Hintergrund der Aufhebung des COVID-19-IG weiterhin ein Rechtsschutzinteresse der Beschwerdeführerin bestehe, oder die Bescheidbeschwerde zurückzuziehen.

7. Mit Schriftsatz vom 05.08.2022 äußerte sich die Beschwerdeführerin dahingehend, dass aus ihrer Sicht selbst nach Außerkrafttreten des COVID-19-IG weiterhin Beschwer bestünde. Generell richte sich die gegenständliche Beschwerde gegen die rechtswidrige Zurückweisung eines Antrags nach Artikel 36, DSGVO, nicht gegen das COVID-19-IG. Mit der Zurückweisung im Bescheid vom 21.04.2022 würde die belangte Behörde die Beschwerdeführerin in ihren subjektiven Rechten – ua in ihrem Recht auf den gesetzlichen Richter – verletzen, weil eine ihr gemäß Artikel 36, Absatz eins, DSGVO zustehende Entscheidung verweigert würde. Somit sei es unerheblich, ob das COVID-19-IG außer Kraft getreten ist oder nicht.

Beweis wurde aufgenommen durch Einsichtnahme in den Verwaltungsakt, das Schreiben des Bundesverwaltungsgerichts an die Beschwerdeführerin vom 29.07.2022 (OZ 2) und die Stellungnahme der Beschwerdeführerin vom 05.08.2022 (OZ 3).

römisch II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Der folgende Sachverhalt steht fest:

Der unter Punkt römisch eins. beschriebene Verfahrensgang steht fest.

2. Die Feststellungen gründen auf der folgenden Beweiswürdigung:

Die Feststellungen gründen auf den genannten Beweismitteln.

3. Rechtlich folgt daraus:

Zu Spruchpunkt A):

3.1. Allgemeines:

3.1.1. Zum Konsultationsverfahren nach Artikel 36, DSGVO:

Hat eine Form der Verarbeitung, insbesondere bei Verwendung neuer Technologien, aufgrund der Art, des Umfangs, der Umstände und der Zwecke der Verarbeitung voraussichtlich ein hohes Risiko für die Rechte und Freiheiten natürlicher Personen zur Folge, so führt der Verantwortliche vorab eine Abschätzung der Folgen der vorgesehenen Verarbeitungsvorgänge für den Schutz personenbezogener Daten durch (Artikel 35, Absatz eins, DSGVO).

Geht aus der Folgenabschätzung hervor, dass die Verarbeitung ein hohes Risiko zur Folge hätte, sofern der Verantwortliche keine Maßnahmen zur Eindämmung des Risikos trifft, hat der Verantwortliche vor der Verarbeitung die Aufsichtsbehörde zu konsultieren (Artikel 36, Absatz eins, DSGVO).

Der Verantwortliche stellt der Aufsichtsbehörde bei einer Konsultation gemäß Absatz 1 ua Informationen über die Zwecke und die Mittel der beabsichtigten Verarbeitung zur Verfügung (Artikel 36, Absatz 3, Litera b, DSGVO).

Falls die Aufsichtsbehörde der Auffassung ist, dass die geplante Verarbeitung nicht im Einklang mit dieser Verordnung stünde, insbesondere weil der Verantwortliche das Risiko nicht ausreichend ermittelt oder nicht ausreichend eingedämmt hat, unterbreitet sie dem Verantwortlichen und gegebenenfalls dem Auftragsverarbeiter innerhalb eines Zeitraums von bis zu acht Wochen nach Erhalt des Ersuchens um Konsultation entsprechende schriftliche Empfehlungen und kann ihre in Artikel 58 genannten Befugnisse ausüben (Artikel 36, Absatz 2, 1. Satz DSGVO).

3.1.2. Rechtsschutzinteresse ist zur Führung eines Beschwerdeverfahrens erforderlich:

Die Einstellung steht nach allgemeinem Verständnis am Ende jener Verfahren, in denen ein Erledigungsanspruch nach Beschwerdeeinbringung verloren geht. Neben dem Fall der Zurückziehung der Beschwerde oder des Untergangs des Beschwerdeführers kann analog zu Paragraph 33, VwGG eine Einstellung auch bei Klaglosstellung des Beschwerdeführers (Wegfall der Beschwer) in Betracht kommen. Dies grundsätzlich sowohl bei formeller Klaglosstellung als auch bei materieller Klaglosstellung wegen Wegfall des Rechtsschutzinteresses vergleiche Fister/Fuchs/Sachs, Verwaltungsgerichtsverfahren (2013), Paragraph 28, VwGVG, Anmerkung 5).

Bei einer Bescheidbeschwerde besteht das Rechtsschutzinteresse im objektiven Interesse des Beschwerdeführers an einer Beseitigung des angefochtenen, ihn beschwerenden Verwaltungsaktes. Dieses Interesse wird daher immer dann zu verneinen sein, wenn es für die Rechtsstellung des Beschwerdeführers keinen Unterschied mehr macht, ob der angefochtene Bescheid aufrecht bleibt oder aufgehoben wird bzw. wenn die Erreichung des Verfahrenszieles für den Beschwerdeführer keinen objektiven Nutzen hat, die in der Beschwerde aufgeworfenen Rechtsfragen soweit nur (mehr) theoretische Bedeutung besitzen vergleiche dazu VwGH 23.09.2019, Ra 2019/03/0106 mwN; VwGH 27.11.2018, Ra 2018/02/0162; 31.01.2018, Ra 2018/10/0022, jeweils mwN).

3.3. Angewendet auf den Sachverhalt bedeutet das:

Die Beschwerdeführerin konsultierte die belangte Behörde gemäß Artikel 36, DSGVO, weil sie auf Grund des COVID-19-IG zu bestimmten Verarbeitungen von ua Impfdaten verpflichtet worden ist und aus der von ihr gemäß Artikel 35, DSGVO durchgeführten Datenschutzfolgenabschätzung hervorgegangen ist, dass die Verarbeitung ein hohes Risiko zur Folge hätte, sofern die Beschwerdeführerin keine Maßnahmen zur Eindämmung des Risikos trifft.

Durch die Aufhebung des COVID-19-IG ist die Verpflichtung der Beschwerdeführerin zur gegenständlichen Datenverarbeitung weggefallen, weshalb die Beschwerdeführerin nunmehr weder den Bedarf noch das Recht hat, hierzu die Datenschutzbehörde gemäß Artikel 36, DSGVO zu konsultieren. Die Konsultation in Bezug auf abstrakte Datenverarbeitungen sieht Artikel 36, DSGVO nicht vor (arg „beabsichtigten Verarbeitung“ (Artikel 36, Absatz 3, Litera b, DSGVO) und „geplante Verarbeitung“ (Artikel 36, Absatz 2, 1. Satz DSGVO)).

Damit hat aber die Klärung der im Beschwerdeverfahren gegenständliche Frage, ob die belangte Behörde verpflichtet ist, eine Konsultation im Sinne des Artikel 36, DSGVO in Hinblick auf eine Datenverarbeitung vorzunehmen, der deswegen ein hohes Risiko anhaften soll, weil die rechtliche Grundlage verfassungswidrig sein könnte, obwohl es dem Verfassungsgerichtshof und nicht der belangten Behörde obliege, die Verfassungsmäßigkeit eines Gesetzes zu prüfen, und die belangte Behörde das Gesetz nicht beim Verfassungsgerichtshof anfechten könne, für die Beschwerdeführerin keinen objektiven Nutzen mehr. Unabhängig davon, wie das erkennende Gericht über diese Rechtsfrage entscheiden würde, könnte es die belangte Behörde nicht (mehr) zur von der Beschwerdeführerin begehrten Konsultation verpflichten.

Auch mit dem Vorbringen der Beschwerdeführerin im Schriftsatz vom 05.08.2022, wonach die belangte Behörde mit der Zurückweisung eine Entscheidung gemäß Artikel 36, Absatz eins, DSGVO verweigert habe, wird in Hinblick auf die vorstehenden Ausführungen nicht dargetan, dass für die Beschwerdeführerin ein objektiver Nutzen an der Erlassung einer Sachentscheidung besteht.

3.4. Mangels Rechtsschutzinteresse der Beschwerdeführerin war die eingebrachte Beschwerde einer meritorischen Erledigung nicht mehr zuzuführen. Da die Prozessvoraussetzung des Rechtsschutzinteresses erst nach Einbringung der Beschwerde weggefallen ist, war das Verfahren als gegenstandlos einzustellen vergleiche VwGH 28.01.2016, Ra 2015/11/0027).

3.5. Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

3.6. Da das erkennende Gericht lediglich eindeutige bzw vom Verwaltungsgerichtshof bereits geklärte Rechtsfragen zu lösen hatte (siehe Punkt B), konnte von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung gemäß Paragraph 24, Absatz 4, VwGVG abgesehen werden.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß Paragraph 25 a, Absatz eins, VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Artikel 133, Absatz 4, B-VG zulässig ist. Dieser Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist unzulässig, weil keine Rechtsfragen zu lösen waren, denen grundsätzliche Bedeutung im Sinne des Artikel 133, Absatz 4, B-VG zukommen. So konnte sich das erkennende Gericht einerseits auf die jeweils zitierte Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs stützen. Andererseits ist die Rechtslage hinsichtlich der Frage, ob die Datenschutzbehörde im Rahmen einer Konsultation des Artikel 36, DSGVO auch über abstrakte Datenverarbeitungen zu entscheiden hat, eindeutig.

European Case Law Identifier

ECLI:AT:BVWG:2023:W258.2256074.1.00