BUNDESGESETZBLATT
FÜR DIE REPUBLIK ÖSTERREICH

Jahrgang 2011

Ausgegeben am 29. Dezember 2011

Teil I

146. Bundesgesetz:

Neue-Psychoaktive-Substanzen-Gesetz, NPSG

(NR: GP römisch XXIV RV 1518 AB 1593 S. 135. BR: 8611 AB 8632 S. 803.)

146. Bundesgesetz über den Schutz vor Gesundheitsgefahren im Zusammenhang mit Neuen Psychoaktiven Substanzen (Neue-Psychoaktive-Substanzen-Gesetz, NPSG)

Der Nationalrat hat beschlossen:

Begriffsbestimmungen

Paragraph eins,

Im Sinne dieses Bundesgesetzes ist

  1. Ziffer eins
    „Neue Psychoaktive Substanz“ eine Substanz oder Zubereitung, die die Fähigkeit besitzt, bei ihrer Anwendung im menschlichen Körper eine psychoaktive Wirkung herbeizuführen und nicht der Einzigen Suchtgiftkonvention 1961, Bundesgesetzblatt Nr. 531 aus 1978,, oder dem Übereinkommen von 1971 über psychotrope Stoffe, Bundesgesetzblatt Teil 3, Nr. 148 aus 1997,, unterliegt;
  2. Ziffer 2
    „psychoaktive Wirkung“ die mit Halluzinationen oder Störungen der motorischen Funktionen, des Denkens, des Verhaltens, der Wahrnehmung oder der Stimmung einher gehende Anregung oder Dämpfung des Zentralnervensystems;
  3. Ziffer 3
    „Substanz“ eine synthetisch hergestellte chemische Verbindung;
  4. Ziffer 4
    „Zubereitung“ ein Gemisch oder eine Lösung, das oder die eine Neue Psychoaktive Substanz oder mehrere solcher Substanzen enthält.

Anwendungsbereich

Paragraph 2,

Dieses Bundesgesetz ist auf Neue Psychoaktive Substanzen anzuwenden, soweit sie nicht nach Maßgabe der arzneimittel-, apotheken- oder arzneiwareneinfuhrrechtlichen Vorschriften in Verkehr gebracht werden dürfen.

  1. Absatz 2Dieses Bundesgesetz ist jedoch nicht auf Stoffe und Zubereitungen anzuwenden, die dem Suchtmittelgesetz, Bundesgesetzblatt Teil eins, Nr. 112 aus 1997,, unterliegen.

Verordnung

Paragraph 3,

  1. Absatz einsDer Bundesminister oder die Bundesministerin für Gesundheit kann Neue Psychoaktive Substanzen mit Verordnung bezeichnen, wenn auf Grund bestimmter Tatsachen
    1. Ziffer eins
      anzunehmen ist, dass sie wegen ihrer Wirkung gemäß Paragraph eins, Ziffer 2, in bestimmten Verkehrskreisen Verbreitung zur missbräuchlichen Anwendung finden, und
    2. Ziffer 2
      bei ihrer Anwendung nach dem Stand der Wissenschaft und der Erfahrung eine Gefahr für die Gesundheit von Konsumentinnen und Konsumenten besteht oder nicht ausgeschlossen werden kann.
  2. Absatz 2Der Bundesminister oder die Bundesministerin für Gesundheit kann ferner chemische Substanzklassen definieren, wenn diese Maßnahme besser als die Bezeichnung einzelner Neuer Psychoaktiver Substanzen geeignet erscheint, der Verbreitung solcher Substanzen und der damit für die Gesundheit von Konsumentinnen und Konsumenten verbundenen oder nicht auszuschließenden Gefahren vorzubeugen.
  3. Absatz 3Der Anwendung des Absatz 2, steht nicht entgegen, dass von den chemischen Substanzklassen auch Substanzen mit erfasst sind, die
    1. Ziffer eins
      die Fähigkeit zur Herbeiführung einer Wirkung gemäß Paragraph eins, Ziffer 2, nicht oder nur in geringem Maß besitzen, oder
    2. Ziffer 2
      als Suchtmittel den suchtmittelrechtlichen Bestimmungen unterliegen.

Gerichtliche Strafbestimmungen

Paragraph 4,

  1. Absatz einsWer mit dem Vorsatz, daraus einen Vorteil zu ziehen, eine mit Verordnung gemäß Paragraph 3, bezeichnete oder von einer gemäß Paragraph 3, definierten chemischen Substanzklasse umfasste Neue Psychoaktive Substanz mit dem Vorsatz erzeugt, einführt, ausführt oder einem anderen überlässt oder verschafft, dass sie von dem anderen oder einem Dritten zur Erreichung einer psychoaktiven Wirkung im menschlichen Körper angewendet wird, ist mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren zu bestrafen.
  2. Absatz 2Hat die Straftat den Tod eines Menschen oder schwere Körperverletzungen (Paragraph 84, Absatz eins, StGB) einer größeren Zahl von Menschen zur Folge, so ist der Täter mit Freiheitsstrafe von einem bis zu zehn Jahren zu bestrafen.

Einziehung

Paragraph 5,

  1. Absatz einsEine mit Verordnung gemäß Paragraph 3, bezeichnete oder von einer gemäß Paragraph 3, definierten chemischen Substanzklasse umfasste Neue Psychoaktive Substanz ist – sofern nicht bereits eine Einziehung nach Paragraph 26, StGB stattfindet – auch einzuziehen, wenn keine bestimmte Person wegen einer Straftat nach Paragraph 4, verfolgt oder verurteilt werden kann, es sei denn, der oder die Verfügungsberechtigte macht einen rechtmäßigen Verwendungszweck glaubhaft und bietet Gewähr dafür, dass die Substanz nicht zur Erreichung einer psychoaktiven Wirkung im menschlichen Körper angewendet wird.
  2. Absatz 2Für das Verfahren gelten die Paragraphen 443 bis 446 StPO entsprechend. Für die Anwendung von Paragraph 445 a, StPO ist eine Neue Psychoaktive Substanz als Gegenstand zu behandeln, deren Besitz allgemein verboten ist.

Verdacht auf arzneimittelrechtliche Verstöße

Paragraph 6,

Die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes haben, wenn sich im Zuge von Strafverfolgungshandlungen nach diesem Bundesgesetz der Verdacht eines Verstoßes gegen das Arzneimittelgesetz, Bundesgesetzblatt Nr. 185 aus 1983,, oder das Arzneiwareneinfuhrgesetz, Bundesgesetzblatt Teil eins, Nr. 79 aus 2010,, ergibt, unverzüglich das Bundesamt für Sicherheit im Gesundheitswesen von dem Sachverhalt in Kenntnis zu setzen und diesem alle zur Klärung des Sachverhaltes erforderlichen Daten, insbesondere produktbezogene Daten, zu übermitteln. Die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes sind in diesem Zusammenhang ermächtigt, zum Schutz vor den mit dem vorschriftswidrigen in Verkehr Bringen von Arzneimitteln verbundenen Gefahren für das Leben oder die Gesundheit von Menschen auch die zur Klärung des Sachverhalts erforderlichen personenbezogenen Daten zu übermitteln.

Informationspflichten der Zollbehörden

Paragraph 7,

  1. Absatz einsWenn bestimmte Tatsachen darauf schließen lassen, dass Neue Psychoaktive Substanzen zum Zweck nach oder aus Österreich befördert werden, dass sie zur Erreichung einer psychoaktiven Wirkung im menschlichen Körper angewendet werden, so sind die Zollorgane befugt, diese vorläufig sicher zu stellen. Von der Sicherstellung haben sie unverzüglich der zuständigen Staatsanwaltschaft zu berichten. Erklärt diese, dass die Voraussetzungen einer Sicherstellung gemäß Paragraph 110, der Strafprozessordnung 1975 (StPO), Bundesgesetzblatt Nr. 631, nicht vorliegen, ist die Sicherstellung sogleich aufzuheben. Im Übrigen tritt die vorläufige Sicherstellung außer Kraft, wenn seit ihrer Erlassung sechs Monate vergangen sind oder sobald das Gericht den Antrag auf Beschlagnahme rechtskräftig abgewiesen hat.
  2. Absatz 2Im Zusammenhang mit der Kontrolle von Neuen Psychoaktiven Substanzen, die zu dem im Absatz eins, genannten Zweck nach oder aus Österreich befördert werden, dürfen die Zollbehörden personenbezogene Daten ermitteln und verarbeiten (Paragraph 4, Ziffer 9, des Datenschutzgesetzes 2000 – DSG 2000, Bundesgesetzblatt Teil eins, Nr. 165 aus 1999,) und diese den zuständigen Strafverfolgungsbehörden übermitteln, soweit dies zur Erfüllung deren gesetzlicher Aufgabe erforderlich ist.“

Monitoring

Paragraph 8,

  1. Absatz einsDer Bundesminister oder die Bundesministerin für Gesundheit hat mit dem Ziel der Vorbeugung vor den mit dem Missbrauch für die Gesundheit von Konsumentinnen und Konsumenten einher gehenden Gefahren Sorge zu tragen für die
    1. Ziffer eins
      Beobachtung des Marktes im Hinblick auf das Auftreten Neuer Psychoaktiver Substanzen,
    2. Ziffer 2
      Bewertung der Risiken der Neuen Psychoaktiven Substanzen, soweit dies auf Grundlage der verfügbaren wissenschaftlichen Erkenntnisse und praktischen Erfahrungen möglich ist,
    3. Ziffer 3
      Information der maßgeblichen Stellen des Gesundheitswesens über die gemäß Ziffer eins und 2 gewonnenen Erkenntnisse.
  2. Absatz 2Der Bundesminister oder die Bundesministerin für Gesundheit kann mit den Maßnahmen gemäß Absatz eins, die nationale Kontaktstelle im Informationsnetz der Europäischen Beobachtungsstelle für Drogen und Drogensucht (Paragraph 26 a, des Suchtmittelgesetzes) beauftragen. Diese kann zur Beratung in Fragen der Neuen Psychoaktiven Substanzen einen Fachbeirat aus Sachverständigen der einschlägigen Fachgebiete aus Wissenschaft und Praxis einrichten. Die Tätigkeit der Sachverständigen im Fachbeirat ist ehrenamtlich. Allfällige Reisekosten sind vom Bundesminister oder von der Bundesministerin für Gesundheit nach der höchsten Gebührenstufe der Reisegebührenvorschrift 1955, Bundesgesetzblatt Nr. 133, zu ersetzen.

Vollziehung

Paragraph 9,

Mit der Vollziehung ist hinsichtlich

  1. Ziffer eins
    der Paragraphen 4 und 5 die Bundesministerin oder der Bundesminister für Justiz,
  2. Ziffer 2
    des Paragraph 6, die Bundesministerin oder der Bundesminister für Inneres,
  3. Ziffer 3
    des Paragraph 7, die Bundesministerin oder der Bundesminister für Finanzen,
  4. Ziffer 4
    der übrigen Bestimmungen der Bundesminister oder die Bundesministerin für Gesundheit
betraut.

Schlussbestimmungen

Paragraph 10,

  1. Absatz einsSoweit dieses Bundesgesetz auf andere Bundesgesetze verweist, sind diese in ihrer jeweils geltenden Fassung anzuwenden.
  2. Absatz 2Die Durchführungsverordnung gemäß Paragraph 3, darf bereits ab dem der Kundmachung dieses Bundesgesetzes folgenden Tag erlassen werden. Sie darf jedoch nicht vor dem Inkrafttreten Bundesgesetzes in Kraft treten.

Inkrafttreten

Paragraph 11,

Dieses Bundesgesetz tritt mit 1. Jänner 2012 in Kraft.

Fischer

Faymann