BUNDESGESETZBLATT
FÜR DIE REPUBLIK ÖSTERREICH

Jahrgang 2005

Ausgegeben am 27. Oktober 2005

Teil I

119. Bundesgesetz:

Änderung der Strafprozessordnung 1975, des Staatsanwaltschaftsgesetzes und des Tilgungsgesetzes

(NR: GP XXII RV 1059 AB 1080 S. 122. BR: AB 7390 S. 725.)

119. Bundesgesetz, mit dem die Strafprozessordnung 1975, das Staatsanwaltschaftsgesetz und das Tilgungsgesetz geändert werden

Der Nationalrat hat beschlossen:

Inhaltsverzeichnis

Artikel Gegenstand

I

Änderungen der Strafprozessordnung 1975

II

Änderungen des Staatsanwaltschaftsgesetzes

III

Änderungen des Tilgungsgesetzes

IV

In-Kraft-Treten

Artikel I
Änderungen der Strafprozessordnung 1975

Die Strafprozessordnung 1975, Bundesgesetzblatt Nr. 631 aus 1975,, in der zuletzt durch das Bundesgesetz Bundesgesetzblatt Teil eins, Nr. 164 aus 2004, geänderten Fassung wird wie folgt geändert:

Novellierungsanordnung 1, Paragraph 47 a, hat zu lauten:

Paragraph 47 a,

  1. Absatz einsAlle im Strafverfahren tätigen Behörden sind verpflichtet,
    1. Ziffer eins
      auf die Rechte und Interessen der durch eine strafbare Handlung verletzten Person angemessen Bedacht zu nehmen und sie über ihre Rechte im Strafverfahren sowie über die Möglichkeit zu belehren, Entschädigungs- oder Hilfeleistungen zu erhalten, soweit dies den Umständen nach erforderlich erscheint,
    2. Ziffer 2
      die in Paragraph 49 a, Absatz eins, genannten Personen spätestens vor ihrer ersten Befragung über die Voraussetzungen der Prozessbegleitung und in Betracht kommende Einrichtungen zu informieren,
    3. Ziffer 3
      die durch eine strafbare Handlung verletzten Personen während des Verfahrens mit Achtung ihrer persönlichen Würde zu behandeln und bei ihren Amtshandlungen wie auch bei der Auskunftserteilung gegenüber Dritten deren berechtigte Interessen an der Wahrung ihres höchstpersönlichen Lebensbereiches zu beachten. Dies gilt besonders für die Weitergabe von Lichtbildern und die Mitteilung von Angaben zur Person, die zu einem Bekanntwerden ihrer Identität in einem größeren Personenkreis führen können, ohne dass dies durch Zwecke der Strafrechtspflege geboten ist.
  2. Absatz 2Personen, die durch eine strafbare Handlung in ihrer sexuellen Integrität verletzt worden sein könnten, sind überdies über die folgenden, ihnen zustehenden Rechte zu informieren:
    1. Ziffer eins
      die Beantwortung von Fragen nach Umständen aus ihrem höchstpersönlichen Lebensbereich oder nach Einzelheiten der strafbaren Handlung, deren Schilderung sie für unzumutbar halten, zu verweigern (Paragraph 153, Absatz 2,),
    2. Ziffer 2
      zu verlangen, im Vorverfahren und in der Hauptverhandlung auf schonende Weise vernommen zu werden (Paragraphen 162 a,, 250 Absatz 3,),
    3. Ziffer 3
      zu verlangen, die Öffentlichkeit der Hauptverhandlung auszuschließen (Paragraph 229, Absatz 2,).
  3. Absatz 3Von jedem Rücktritt von der Verfolgung oder der Einstellung des Verfahrens sowie der Abbrechung des Verfahrens gegen einen bekannten Täter und dessen Fortsetzung ist die verletzte Person zu verständigen. Paragraph 83 a, zweiter Satz gilt sinngemäß.
  4. Absatz 4Der durch eine strafbare Handlung verletzten Person ist nach Maßgabe der Voraussetzungen des Paragraph 38 a, Absatz eins, Übersetzungshilfe zu leisten, soweit dies zur Wahrung ihrer Rechte im Strafverfahren, insbesondere des Rechts, sich dem Verfahren wegen ihrer privatrechtlichen Ansprüche anzuschließen, erforderlich ist.“

Novellierungsanordnung 2, Nach dem Paragraph 49, wird folgender Paragraph 49 a, eingefügt:

Paragraph 49 a,

  1. Absatz einsPersonen, die durch die dem Beschuldigten zur Last gelegte, vorsätzlich begangene Tat Gewalt oder gefährlicher Drohung ausgesetzt oder in ihrer sexuellen Integrität beeinträchtigt worden sein könnten, sowie der Ehegatte, der Lebensgefährte, Verwandte in gerader Linie, der Bruder oder die Schwester einer Person, deren Tod durch eine Straftat herbeigeführt worden sein könnte, oder andere Angehörige, die Zeugen der Tat waren, haben Anspruch auf psychosoziale und juristische Prozessbegleitung, soweit dies zur Wahrung ihrer Rechte und im Hinblick auf ihre persönliche Betroffenheit erforderlich ist. Sie sind überdies berechtigt, in die Akten in sinngemäßer Anwendung des Paragraph 47, Absatz 2, Ziffer 2, Einsicht zu nehmen.
  2. Absatz 2Psychosoziale Prozessbegleitung umfasst die Vorbereitung der Betroffenen auf das Verfahren und die mit ihm verbundenen emotionalen Belastungen sowie die Begleitung zu Vernehmungen im Vor- und Hauptverfahren, juristische Prozessbegleitung, die rechtliche Beratung und Vertretung durch einen Rechtsanwalt.
  3. Absatz 3Die Bundesministerin für Justiz ist ermächtigt, bewährte geeignete Einrichtungen vertraglich mit der Gewährung von Prozessbegleitung im Sinne der vorstehenden Absätze zu beauftragen.“

Novellierungsanordnung 3, Im Paragraph 50, Absatz eins, hat der letzte Halbsatz zu lauten:

„sie können sich auch eines in der Verteidigerliste eingetragenen Rechtsbeistandes, einer nach Paragraph 25, Abs. 3 SPG anerkannten Opferschutzeinrichtung oder eines anderen Bevollmächtigten bedienen.“

Novellierungsanordnung 3a, In Paragraph 129, wird ein Absatz 4, angefügt:

  1. Absatz 4Wird für die Beurteilung einer Körperverletzung oder Gesundheitsschädigung ein Sachverständiger bestellt, so ist ihm auch die Feststellung der Schmerzperioden aufzutragen.“

Novellierungsanordnung 4, Im Paragraph 162, Absatz 2, hat der zweite Satz zu lauten:

„Auf dieses Recht und den Anspruch auf psychosoziale und juristische Prozessbegleitung (Paragraph 49 a,) ist in der Vorladung unter Bekanntgabe geeigneter Opferschutzeinrichtungen hinzuweisen.“

Novellierungsanordnung 4a, In Paragraph 177, wird nach dem letzten Satz des Absatz 2, der Punkt durch einen Strichpunkt ersetzt und es werden folgende Worte angefügt:

„die im Paragraph 49 a, Absatz eins, genannten Personen sind zu verständigen.“

Novellierungsanordnung 5, Nach dem Paragraph 194, wird folgender Paragraph 195, eingefügt:

Paragraph 195,

Das Gericht hat die in Paragraph 49 a, Absatz eins, genannten Personen und die Sicherheitsbehörde ihres Aufenthaltsortes von einer Freilassung des Beschuldigten vor Fällung des Urteils erster Instanz, gegebenenfalls unter Angabe der dem Beschuldigten auferlegten gelinderen Mittel, unverzüglich von Amts wegen zu verständigen.“

Novellierungsanordnung 6, Paragraph 211 a, hat zu lauten:

Paragraph 211 a,

  1. Absatz einsErachtet der Gerichtshof, dass die Voraussetzungen für eine Einstellung des Verfahrens gemäß Paragraph 90 b,, anderen auf ihn verweisenden gesetzlichen Bestimmungen oder gemäß Paragraph 37, des Suchtmittelgesetzes (SMG), Bundesgesetzblatt Teil eins, Nr. 112 aus 1997,, vorliegen, so weist er die Anklageschrift an den Untersuchungsrichter mit dem Auftrag zurück, nach diesen Bestimmungen vorzugehen.
  2. Absatz 2Kommt eine Einstellung des Verfahrens nach den in Absatz eins, genannten Bestimmungen nicht zustande oder ist das Verfahren nachträglich einzuleiten oder fortzusetzen (Paragraph 90 h, ;, Paragraph 38, SMG), so hat der Ankläger neuerlich die Anklageschrift einzubringen oder sonst die zur Fortführung oder Beendigung des Strafverfahrens notwendigen Anträge zu stellen.“

Novellierungsanordnung 7, Im Paragraph 281, Absatz eins, hat die Ziffer 10 a, zu lauten:

  1. Ziffer 10 a
    wenn nach der Bestimmung des Paragraph 90 b, über die Einstellung des Verfahrens, anderen auf sie verweisenden Vorschriften oder nach Paragraph 37, SMG vorzugehen gewesen wäre;“

Novellierungsanordnung 8, Im Paragraph 345, Absatz eins, hat die Ziffer 12 a, zu lauten:

  1. Ziffer 12 a
    wenn nach der Bestimmung des Paragraph 90 b, über die Einstellung des Verfahrens, anderen auf sie verweisenden Vorschriften oder nach Paragraph 37, SMG vorzugehen gewesen wäre;“

Novellierungsanordnung 9, Paragraph 381, wird wie folgt geändert:

a) Im Absatz eins, tritt am Ende der Ziffer 8, an die Stelle des Punktes ein Strichpunkt; folgende Ziffer 9, wird angefügt:

  1. Ziffer 9
    die Kosten der Prozessbegleitung (Paragraph 49 a,) in der Höhe, wie sie durch das Bundesministerium für Justiz abgegolten werden.“

b) Im Absatz 2, wird die Wendung ,7 und 8 durch die Wendung und 7 bis 9 ersetzt.

Artikel II
Änderungen des Staatsanwaltschaftsgesetzes

Das Staatsanwaltschaftsgesetz, Bundesgesetzblatt Nr. 164 aus 1986,, zuletzt geändert durch das Bundesgesetz BGBl. I Nr. 164/2004, wird wie folgt geändert:

Novellierungsanordnung 1, In § 13 Absatz 2, wird der Hundertsatz 5vH durch den Hundertsatz 6vH ersetzt.

Novellierungsanordnung 2, Nach dem Paragraph 34, werden folgende Paragraphen 34 a und 34b samt Überschriften eingefügt:

„Register, sonstige Geschäftsbehelfe und elektronischer Rechtsverkehr

§ 34a.

  1. Absatz einsBei jeder Staatsanwaltschaft sind Register und sonstige Geschäftsbehelfe zu führen, um einen Überblick über die Gesamtheit der angefallenen Sachen, deren Auffindbarkeit und den Stand der einzelnen Angelegenheiten zu bieten, die für die Erledigung der einzelnen Strafsache nötige Übersicht zu erhalten und zugleich die unentbehrlichen Anhaltspunkte für die Überwachung des gesamten Geschäftsganges und der Vollziehung der einzelnen staatsanwaltschaftlichen Verfügungen, Anträge und Aufträge zu sichern.
  2. Absatz 2In die Register und Geschäftsbehelfe sowie Tagebücher dürfen nur solche Daten aufgenommen werden, die erforderlich sind, um den Zweck des Registers, Geschäftsbehelfs oder Tagebuchs zu erfüllen. Die Führung der Register, Tagebücher und sonstigen Geschäftsbehelfe sowie die Speicherung des Inhalts der staatsanwaltschaftlichen Tagebücher, Aktenbestandteile, Behelfe und sonstigen Unterlagen haben nach Maßgabe der technischen und personellen Möglichkeiten mit Hilfe der Verfahrensautomation Justiz (VJ) zu erfolgen. Die Daten der Register und sonstigen Geschäftsbehelfe dürfen vom Inhalt der Tagebücher und den sonstigen Geschäftsbehelfen nicht abweichen.
  3. Absatz 3Der Bundesminister für Justiz hat durch Verordnung zu bestimmen, welche Register und Geschäftsbehelfe bei den staatsanwaltschaftlichen Behörden zu führen sowie welche Gattungen von Angelegenheiten darin einzutragen sind, welche Organe sie zu führen haben und wie lange sie aufzubewahren oder verfügbar zu halten sind. Die Form und Einrichtung der Register und Geschäftsbehelfe und wie bei deren Führung im Einzelnen zu verfahren ist, ist im VJ-Online-Handbuch oder in sonstigen Erlässen zu regeln. Das VJ-Online-Handbuch ist in der jeweils aktuellen Fassung über die Intranethomepage der Justiz abrufbar zu halten; die sonstigen Erlässe sind dort zu verlautbaren.
  4. Absatz 4Soweit Parteien und Beteiligten ein Recht auf Einsicht in das Tagebuch zusteht, haben sie nach Maßgabe der vorhandenen technischen Möglichkeiten Anspruch darauf, Ablichtungen oder Ausdrucke der ihre Sache betreffenden Akten und Aktenteile zu erhalten. Den Parteien kann unter Bedachtnahme auf eine einfache und sparsame Verwaltung und eine ausreichende Sicherung vor Missbrauch durch dritte Personen auch elektronische Einsicht in sämtliche gemäß Paragraph 35, Absatz 4, zugängliche, ihre Sache betreffende Daten, die in der Verfahrensautomation Justiz gespeichert sind, ermöglicht werden.
  5. Absatz 5Für den elektronischen Rechtsverkehr mit den Staatsanwaltschaften sind die Paragraphen 89 a bis 89g GOG anzuwenden.

Haftung für IT- Einsatz

§ 34b.

  1. Absatz einsFür die durch den Einsatz der Informations- und Kommunikationstechnik verursachten Schäden aus Fehlern bei der Führung staatsanwaltschaftlicher Geschäfte einschließlich der Justizverwaltungsgeschäfte sowie der dafür notwendigen Register und sonstigen Geschäftsbehelfe und der öffentlichen Register haftet der Bund. Die Haftung ist ausgeschlossen, wenn der Schaden durch ein unabwendbares Ereignis verursacht wird, das weder auf einem Fehler in der Beschaffenheit noch auf einem Versagen der Mittel der automationsunterstützten Datenverarbeitung beruht. Im Übrigen ist das Amtshaftungsgesetz, Bundesgesetzblatt Nr. 20 aus 1949,, anzuwenden.
  2. Absatz 2Bei der elektronischen Übermittlung von Eingaben und Erledigungen haftet der Bund nach Abs. 1, sofern der Fehler entstanden ist
    1. Ziffer eins
      bei Daten, die an die Staatsanwaltschaft übermittelt worden sind, ab ihrem Einlangen bei der Bundesrechenzentrum GmbH;
    2. Ziffer 2
      bei Daten, die von der Staatsanwaltschaft zu übermitteln sind, bis zu ihrem Einlangen im Verfügungsbereich des Empfängers.“

Novellierungsanordnung 3, Dem Paragraph 42, wird folgender Absatz 6, angefügt:

  1. Absatz 6Die §§ 13 Absatz 2,, 34a und 34b in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 119/2005 treten mit 1. Jänner 2006 in Kraft. Paragraph 13, Absatz 2, tritt mit 31. Dezember 2007 wieder außer Kraft. Mit dem Außer-Kraft-Treten tritt Paragraph 13, Absatz 2, in der Fassung des Bundesgesetzes Bundesgesetzblatt Nr. 507 aus 1994,, wieder in Kraft.“

Artikel III
Änderungen des Tilgungsgesetzes

Das Tilgungsgesetz, Bundesgesetzblatt Nr. 68 aus 1972,, zuletzt geändert durch das Bundesgesetz Bundesgesetzblatt Teil eins, Nr. 100 aus 2005,, wird wie folgt geändert:

Novellierungsanordnung 1, Im Paragraph 6, Absatz eins, wird nach der Ziffer 2, folgende Ziffer 2 a, eingefügt:

  1. Ziffer 2 a
    den zur Einleitung und Durchführung des Strafvollzuges zuständigen Anstalten zum Zweck der Vorbereitung der Klassifizierung (Paragraphen 134,, 161 des Strafvollzugsgesetzes),“

Novellierungsanordnung 2, Im Paragraph 9, wird folgender Absatz eins d, eingefügt:

  1. Absatz eins dParagraph 6, Absatz eins, Ziffer 2 a, in der Fassung des Bundesgesetzes Bundesgesetzblatt Teil eins, Nr. 119 aus 2005, tritt mit 1.Jänner 2006 in Kraft.“

Artikel IV
In-Kraft-Treten

Artikel römisch eins dieses Bundesgesetzes tritt mit 1. Jänner 2006 in Kraft.

Fischer

Schüssel