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Entscheidungstext 11Os29/12t

Gericht

OGH

Dokumenttyp

Entscheidungstext

Rechtsgebiet

Strafrecht

Fundstelle

EvBl 2012/107 S 727 - EvBl 2012,727 = AnwBl 2012,518

Geschäftszahl

11Os29/12t

Entscheidungsdatum

24.05.2012

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 24. Mai 2012 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Zehetner als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schwab, Mag. Lendl, Mag. Michel und Dr. Oshidari als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Brandstetter als Schriftführer, im Verfahren zur Unterbringung des Surjit S***** in einer Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher nach Paragraph 21, Absatz eins, StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde des Betroffenen gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 20. Dezember 2011, GZ 24 Hv 38/11y-89, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde gemäß Paragraph 21, Absatz eins, StGB die Unterbringung des Surjit S***** in einer Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher angeordnet.

Danach hat er unter dem Einfluss eines die Zurechnungsfähigkeit ausschließenden Zustands (Paragraph 11, StGB), der auf einer geistigen oder seelischen Abartigkeit von höherem Grad beruht, nämlich einer schizophrenen Grunderkrankung und einer paranoiden Psychose, Nachgenannte gefährlich mit dem Tod, zu 2.) auch mit einer Brandstiftung und mit der Vernichtung der wirtschaftlichen Existenz bedroht, um sie in Furcht und Unruhe zu versetzen, und zwar

1.) am 5. Juni 2011 Mohammad F***** durch die ihm gegenüber getätigten Äußerungen: „Ich hasse alle Moslems. Allen Moslems gehört der Kopf abgeschnitten. Ich schneide auch dir den Kopf ab!“, wobei er mehrmals gegen das Fahrzeug des Mohammad F***** schlug, einen Scheibenwischer abriss, mit dem Finger einen Schnitt am Hals andeutete und trotz bestehendem Waffenverbots ein Springmesser und ein Klappmesser bei sich trug;

2.) am 7. Juni 2011

a) Padam Kumar J***** durch die telefonische Äußerung: „Ich kenne viele Leute, die werden dein Lokal zerstören, ich komme mit einer Pistole“; und

b) Kunal J***** durch die telefonische Äußerung: „Ich werde dich und deinen Vater umbringen, außerdem werde ich in euer Geschäft einbrechen und alles zerstören, ich werde alles anzünden“;

und hiedurch die Vergehen der gefährlichen Drohung nach Paragraph 107, Absatz eins und Absatz 2, StGB begangen.

Dagegen wendet sich die auf Ziffer 5, (der Sache nach Ziffer 11,) des Paragraph 281, Absatz eins, StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Betroffenen.

Mit seinem Rechtsmittel bekämpft der Betroffene die Gefährlichkeitsprognose der Tatrichter als undeutlich und unvollständig begründet, weil einerseits nicht erkennbar sei, auf welches von zwei Sachverständigengutachten sich die Prognoseannahmen stützten, und sich zum anderen die Erstrichter nicht mit Ausführungen der Sachverständigen Dr. Strauss auseinandergesetzt hätten.

Rechtliche Beurteilung

Die Anordnung einer Maßnahme nach Paragraph 21, StGB stellt einen Ausspruch nach Paragraph 260, Absatz eins, Ziffer 3, StPO dar, der grundsätzlich mit Berufung und lediglich nach Maßgabe des Paragraph 281, Absatz eins, Ziffer 11, StPO auch mit Nichtigkeitsbeschwerde bekämpft werden kann. Dabei sind Überschreitung der Anordnungsbefugnis (Ziffer 11, erster Fall) und Ermessensentscheidung innerhalb dieser Befugnis zu unterscheiden. Gegenstand der Nichtigkeitsbeschwerde nach Ziffer 11, erster Fall ist nur die Überschreitung der Anordnungsbefugnis, deren Kriterien der auf einer geistigen oder seelischen Abartigkeit höheren Grades beruhende Zustand und dessen Einfluss auf die Anlasstat sowie die Mindeststrafdrohung für die Anlasstat nach Paragraph 21, StGB sind. Hinsichtlich dieser für die Sanktionsbefugnis entscheidenden Tatsachen ist neben der Berufung auch die Bekämpfung mit Verfahrens-, Mängel- oder Tatsachenrüge (Paragraph 281, Absatz eins, Ziffer 11, erster Fall in Verbindung mit Ziffer 2 bis 5a StPO) zulässig.

Werden die gesetzlichen Kriterien für die Gefährlichkeitsprognose verkannt oder die Prognosetat verfehlt als solche mit schweren Folgen beurteilt, kommt eine Anfechtung nach Paragraph 281, Absatz eins, Ziffer 11, zweiter Fall StPO in Betracht. Der Sanktionsausspruch ist dann nichtig, wenn im Rahmen der Gefährlichkeitsprognose eine der in Paragraph 21, StGB genannten Erkenntnisquellen (Person, Zustand des Rechtsbrechers und Art der Tat) vernachlässigt wird oder die Feststellungsgrundlage die Ableitung der schweren Folgen als willkürlich erscheinen lässt (RIS-Justiz RS0118581, RS0113980, RS0090341). Die zur Gefährlichkeitsprognose getroffenen Sachverhaltsannahmen hingegen können aus Paragraph 281, Absatz eins, Ziffer 11, zweiter Fall in Verbindung mit Ziffer 5, StPO nicht bekämpft werden.

Das (bloß) auf die Begründung der erstgerichtlichen Konstatierungen zur Gefährlichkeit bezogene Vorbringen der Rüge macht keine rechtsfehlerhafte Bewertung der Prognosekriterien im obigen Sinn geltend und stellt sich sohin als im Verfahren über die Nichtigkeitsbeschwerde unbeachtliches Berufungsvorbringen dar (Ratz, WK-StPO Paragraph 281, Rz 693, 715 ff).

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (Paragraph 285 d, Absatz eins, StPO).

Da das Erkenntnis - der Sache nach - aber aus Ziffer 11, des Paragraph 281, Absatz eins, StPO bekämpft wurde, waren gemäß Paragraph 290, Absatz eins, letzter Satz StPO die Akten dem Oberlandesgericht Wien zur Erledigung der - somit implizit erhobenen - Berufung weiterzuleiten (Paragraph 285 i, StPO; Ratz, WK-StPO Paragraph 290, Rz 28 f).

Schlagworte

Strafrecht

Textnummer

E100940

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2012:0110OS00029.12T.0524.000

Im RIS seit

15.06.2012

Zuletzt aktualisiert am

25.01.2013

Dokumentnummer

JJT_20120524_OGH0002_0110OS00029_12T0000_000

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